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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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das war schon viel schwieriger. Der einzige Mann, von dem sie gedacht hatte, er könnte diese Voraussetzungen erfüllen,und mit dem sie eine richtige Beziehung eingegangen war, hatte sich schließlich als halb verrückter Kontrollfreak herausgestellt. Hauptsächlich, wenn es um Geld ging. Immer wenn er sie zu etwas einlud, schien er zu glauben, dass ihm das auch das Recht gab, sie so zu behandeln, als sei sie sein Eigentum. Er bekam Wutanfälle oder war plötzlich stumm wie ein Fisch. Es konnte auch vorkommen, dass sie, wenn sie um vier Uhr morgens aus dem Fenster ihrer Wohnung schaute, weil irgendetwas sie aufgeweckt hatte, ihn dort draußen in seinem Auto sitzen sah, wie er zu ihr hochschaute. In solchen Momenten sah er gleichzeitig zornig und verloren aus, wie ein kleiner Junge, der sich verzweifelt bemüht, nach einem Tobsuchtsanfall seine Würde zurückzugewinnen. Nachdem sie endlich und unwiderruflich mit ihm Schluss gemachte hatte – wobei sie ihm unmissverständlich zu verstehen geben musste, dass sie ihn wirklich nicht mehr sehen wollte –, tat er etwas vollkommen Unfassbares, selbst nach männlichen Maßstäben, die ja an Irrationalität und Uneinsichtigkeit ihresgleichen suchten: Er schickte ihr die Rechnung für den Urlaub, den sie gemeinsam verbracht hatten. Damals hatte er behauptet, er wolle ihr eine Woche in Agia Napa spendieren, um dort mit ihr tanzen und schwimmen zu gehen und wilden Sex zu haben. Als sie den Brief geöffnet hatte, lachte sie laut vor Wut – und auch vor Begeisterung, denn das gab ihr die Gelegenheit, ein für alle Mal einen Schlussstrich unter die Sache zu ziehen. Sie stellte ihm einen Scheck aus. Zwar räumte das ihr Bankkonto vollkommen leer, aber es gab ihr auch das Gefühl, ihn endgültig los zu sein. Sie wusste, dass er noch einmal versuchen würde, wieder mit ihr zusammenzukommen, und tatsächlich sah sie ihn eines Morgens, wie er in seinem Auto vor ihrer Wohnung saß. Aber sie hatte keinerlei Schwierigkeiten, ihm klipp und klar zu sagen, dass er verschwinden und sie in Ruhe lassen solle, und dieses Mal konnte selbst er erkennen, dass sie es ernst meinte. Das war sechs Monate her. Seitdem hatte es keine weiteren Männer gegeben.
    Mit Kindern war es nicht ganz so schlimm gewesen, aber trotzallem war auch das eine Enttäuschung. Während der drei Jahre, die sie nun als Kindermädchen arbeitete, hatte sie fünf verschiedene Jobs gehabt, den längsten davon für zehn Monate, bei einer Familie in Clerkenwell. Beide Eltern waren Rechtsanwälte. Sie hatten drei Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen, die zehn, acht und vier Jahre alt waren. Und ähnlich wie bei vielen anderen Leuten, für die sie gearbeitet hatte, waren die Kinder ständig voller Wut gewesen. Matya hatte keinerlei vorgefasste Theorie, wenn es um Kinder ging, sie nahm sie einfach so, wie sie waren, aber sie hatte trotzdem den Eindruck, dass viele der Kinder, um die sie sich gekümmert hatte, gleichzeitig verwöhnt und vernachlässigt waren. Das war etwas, das sie aus Kecskemét nicht kannte, und deswegen dauerte es auch eine Weile, bis sie es begriffen hatte. Ein anderes Phänomen war, dass die Kinder zwar daran gewöhnt waren, ignoriert zu werden, und deshalb fast alles Menschenmögliche taten, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber es andererseits überhaupt nicht kannten, dass man Nein zu ihnen sagte, insbesondere dann nicht, wenn es vollkommen ernst gemeint war. Sie wurden wütend, um Aufmerksamkeit zu bekommen, und wütend, wenn man ihnen nicht ihren Willen ließ, und zusammen ergab das eine ziemlich große Menge an Wut. Das war ermüdend und demoralisierend, auch wenn sie wusste, dass die Wut mit ihr persönlich eigentlich gar nichts zu tun hatte. Aber wenn sich Wut direkt auf einen selber richtet, dann fühlt es sich so an, als sei man damit auch gemeint, selbst wenn man eigentlich weiß, dass das nicht der Fall ist. Die Kinder des Rechtsanwaltsehepaares waren genauso gewesen. Deswegen hatte Matya den Job auch gekündigt, und das, obwohl sie die Kinder mochte (wenn sie nicht gerade tobten vor Wut), und auch die Eltern (jedenfalls während der seltenen Momente, in denen sie sie zu Gesicht bekam). Danach hatte sie ein paar Kurzzeitjobs gehabt, die jeweils nur ein paar Wochen gedauert hatten, bis sie schließlich zu den Younts gekommen war.
    Letztendlich hatte bisher eben einfach die Chemie nicht gestimmt.Aber bei Joshua hatte es sofort gefunkt. Gleich von Anfang an. Sie konnte das unmöglich erklären;

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