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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Handschlag verabschiedet hatte. Sie setzten sich in den Aston Martin und fuhren in die Pepys Road. Mickey konnte noch problemlos fahren, er hatte höchstens drei Gläser Alkohol getrunken.
    Wenn Mickey nicht gerade vor seinen Freunden angab, sprach er in einem ganz anderen Ton mit Freddy. Er ulkte weniger rum und klang plötzlich ganz väterlich.
    »Du wirst diesen Unterricht nicht mehr lange brauchen. Es ist wirklich unglaublich, das hätte ich nicht gedacht. Vier Monate. Wenn du so weitermachst, dann sprichst du bald besser Englisch als ich.«
    »Genau wie beim Snooker.«
    Mickey drohte spielerisch an, seinen Ellbogen in Freddys Seite zu rammen.
    »Hast du schon was wegen Samstag gehört?«
    Freddy zuckte mit den Schultern und spitzte für einen Moment die Lippen. Weil Mickey sich auf die Straße konzentrieren musste, war das nicht gerade die beste Methode, um sich zu äußern, aber Mickey wusste auch so, was er sagen wollte. Freddy war noch kein einziges Mal von Anfang an aufgestellt worden. Der Trainer wechselte ihn immer erst in der zweiten Halbzeit ein, meistens, wenn sie das Spiel zwar unter Kontrolle, aber noch keinTor geschossen hatten, oder wenn ihr Vorsprung vor der gegnerischen Mannschaft noch nicht groß genug war. Freddy war neunmal eingewechselt worden, hatte vier Tore geschossen und wurde immer mehr zum Liebling der Fans. Er sei zu einer »Kultfigur« geworden, hatte man ihm gesagt, und auch wenn das für seine Ohren etwas seltsam klang, schien es etwas Gutes zu sein. In der Premier League hatten neue Spieler oft genug nur so lange Erfolg, bis die gegnerischen Mannschaften alles Wesentliche über sie herausgefunden hatten: ein Angreifer, der die Verteidiger immer nur in einer Richtung umlaufen kann, ein Stürmer mit großer Durchschlagskraft, aber schwacher Ballannahme, ein extrem schneller Spieler, den man aber damit verunsichern kann, dass man ihn sehr früh foult. Die Gegner durchschauen solche Dinge schnell, und die Wirkungskraft des Spielers sinkt dadurch um einiges. Sehr gute Spieler eignen sich dann neue Tricks an, oder lernen, die Möglichkeiten, die sie haben, voll auszuschöpfen. Mickey glaubte, dass das der Grund war, warum der Trainer Freddy immer erst so spät einsetzte – er wollte die »Flitterwochen« so lange wie möglich ausdehnen. Aber Freddy glaubte, dass die Vorbehalte des Trainers mit Durchhaltevermögen und Kraft zu tun hatten. Vielleicht dachte er ja, Freddy würde es nicht schaffen, neunzig Minuten durchzustehen, und würde sich vom Ball abdrängen lassen. Freddy fand das nicht fair. Trotzdem war er nicht böse oder verärgert, jedenfalls noch nicht. Aber er liebte es, Fußball zu spielen, und zum ersten Mal in seinem Leben musste er ziemlich viel Zeit auf der Bank verbringen.
    Mickey genoss es, wenn er mit Freddy allein war. Sonst war meistens Patrick mit dabei, wodurch sich ihr Verhältnis etwas veränderte. Mickey konnte sich zwar immer noch väterlich geben, aber er musste Patricks Anwesenheit berücksichtigen. Der Vater hatte schließlich ein größeres Recht auf seinen Sohn. Das war vollkommen in Ordnung. Mickey hatte nichts gegen Patrick; aber Patrick war ein Mann, aus dem man nicht so leicht schlau wurde. Sein langsames und vorsichtiges Englisch hatte zur Folge, dassauch ihre Gespräche langsam und vorsichtig waren. Je mehr Zeit Mickey mit Patrick verbrachte, desto besser verstand er, warum der Mann Polizist war. Er hatte diese typische Wachsamkeit und schien unfähig zum Smalltalk zu sein, so als sei er nach wie vor ein Beamter im Dienst. Und man hatte immer das Gefühl, als gäbe es Grenzen, die man keinesfalls überschreiten durfte, wobei es jedoch nicht so leicht war festzustellen, wo diese Grenzen eigentlich lagen und welcher Art sie waren. Deswegen war Patricks Gesellschaft immer ein bisschen anstrengend. Außerdem hatte Mickey das Gefühl, dass Patrick ihn irgendwie nicht mochte.
    »Es ist nur eine Frage der Zeit«, sagte Mickey. »Das weißt du doch. Solche Dinge brauchen ihre Zeit. Man muss erst für die richtige Balance sorgen. Lass dir Zeit.«
    »Ich spiele eben gern«, sagte Freddy. Aber was er damit eigentlich meinte, war: Ich will neunzig Minuten lang spielen.
    »Ja, klar.«
    Freddy schaute unverwandt aus dem Fenster. Es kam ihm immer noch so vor, als sei das alles hier in London ganz neu für ihn, und es hörte nicht auf, ihn zu erstaunen. Es zählte deshalb zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, genau das zu tun: aus dem Fenster des Autos zu schauen,

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