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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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würde, wenn andere Leute anwesend waren oder wenn das nicht der Fall war. Er war zu dem Entschluss gelangt, dass ein öffentlicher Ort besser war; und dann wurde ihm klar, dass das wahrscheinlich ein Fehler war, aber jetzt war es zu spät, sich noch anders zu entscheiden, denn wenn er das tat, würde es ja doch wieder nur zu einem Vorwand werden, die Trennung zu verschieben, und das wollte er auf keinen Fall.
    Er bestellte sich ein Glas Mineralwasser. Wenn er Alkoholtrank, dann erhöhte das nur die Gefahr, dass er am Ende des Abends wieder mit Davina im Bett landen würde.
    Die Bar war ziemlich voll für einen Dienstagabend. Aber andererseits war es hier eigentlich immer voll, ähnlich wie überall sonst in diesem Teil der Stadt. Wenn Zbigniew gezwungen wäre, London in einem einzigen Bild zusammenzufassen, würden ihm auf Anhieb ein paar Möglichkeiten einfallen: eine Gruppe junger polnischer Männer, die in ihrer Wohnung sitzen, Socken tragen und Fernsehen gucken; ein Holzbrett, das man auf zwei Mülleimer vor einem Haus gelegt hat, um einen Parkplatz für den Umzugswagen zu reservieren; oder der Park an einem Wochenende im Sommer, wenn sich überall, so weit das Auge reicht, ungeschützte weiße Haut der brennenden Sonne aussetzt. Aber der Gewinner wäre zweifellos die Hauptstraße an einem verkehrsreichen Abend, voller junger Menschen, die fest entschlossen sind, sich zu betrinken – die hektische Betriebsamkeit, der ganz eigene Klang des Lärms, der Sex, die Wut, die Hysterie. Zbigniew hatte früher einmal gedacht, die Engländer seien ein gemäßigtes, zurückhaltendes Volk. Er musste lachen, wenn er sich jetzt daran erinnerte. Das stimmte nämlich überhaupt nicht. Sie tranken wie die Verrückten. Sie tranken, um sich glücklich zu fühlen, aber auch, weil Alkohol ein Selbstzweck war. Trinken war eine gute Sache, und die Leute verlangten nach guten Sachen, wollten immer mehr davon. Weil also Alkohol gut war, konnten die Engländer nicht genug davon kriegen. Wenn es um Alkohol ging, waren sie ganz wie Buzz Lightyear: Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!
    Er freute sich darauf, bald nach Hause zu fahren und zur Abwechslung mal den Polen in ihrem natürlichen Lebensraum beim Trinken zuzuschauen. Er würde seinen Vater wiedersehen. Und er konnte seine Mutter hinsichtlich ihrer Sorgen beruhigen, ob er auch genug aß und sich nicht mit Tuberkulose angesteckt hatte.
    Dann kam Davina in die Bar. Sie schaute sich um, wie immer mit einem Schuss Theatralik: ein wenig auf den Zehenspitzen stehend,ihren ganzen Kopf drehend, mit einem suchenden, erwartungsvollen Gesichtsausdruck. Ihre Stirn war leicht gerunzelt, aber sie war jederzeit bereit, in ein Lächeln zu verfallen, sobald sie ihn entdeckt hatte. Es war, als spielte sie in einem Theaterstück mit dem Titel: »Wie ich in einer überfüllten Bar nach meinem Freund suche«. In den wenigen Sekunden, die zwischen dem Moment lagen, in dem er sie sah,und dem Moment, als auch sie ihn sah, traf ihn aufs Neue die Erkenntnis, wie hübsch sie war, wie blond – und wie sexy ihr leicht zerzaustes Aussehen wirkte. Sie trug einen schwarz-weiß gemusterten Schal, der von der einen Schulter schon so weit heruntergerutscht war, dass er fast auf den Boden fiel. Zum tausendsten Mal verspürte Zbigniew das ganz und gar unkomplizierte Bedürfnis, mit ihr zu schlafen, zusammen mit den komplizierten Vorbehalten und Aversionen, die dieses Bedürfnis mit sich brachte. Aber dann rief er sich energisch zur Vernunft. Der heutige Tag war nicht dazu da, mit Davina Sex zu haben, sondern um sie abzuservieren. Er formulierte das absichtlich so in seinem Kopf – laut hätte er dieses Wort nie ausgesprochen –, um seinen Vorsatz zu festigen. Abservieren, kein Sex. Das war der Plan.
    Davina hatte ihn entdeckt. Ihr Gesicht hellte sich auf, wie bei jemandem, der die Aufgabe bekommen hat, den Satz »Ihr Gesicht hellte sich auf« schauspielerisch darzustellen. Sie kam mit ihren schnellen, energischen Schritten auf ihn zugelaufen und wich unterwegs einem Mann aus, der ohne zu gucken, wo er hinging, mit drei Biergläsern von der Bar losgetaumelt war.
    »Liebling!«, sagte sie. Davina war gut gelaunt. Dann senkte sie ihre Stimme zu einem theatralischen Flüstern und zitierte einen Satz, den er schon oft von ihr gehört hatte. Er stammte aus irgendeinem Film, den Zbigniew noch nie gesehen hatte. Sie schien diesen Satz immer unendlich lustig zu finden: »Du bist gekommen!«
    Zbigniew räusperte sich

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