Kapital: Roman (German Edition)
und sagte: »Ein Glas Weißwein?«
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Das war doch ganz gut gelaufen, dachte Zbigniew am nächsten Morgen auf seinem Weg zur Arbeit. Er konnte es eigentlich gar nicht fassen, wie gut es gelaufen war.
Mit jemandem Schluss zu machen war, wie Zbigniew inzwischen klargeworden war, auch nur eine Art Job, eine ganz bestimmte Aufgabe, und wie alle anderen Aufgaben bewältigte man auch diese am besten, indem man sie in ihre Einzelteile zerlegte, analysierte und dann in der richtigen Reihenfolge wieder zusammensetzte. Dann musste man sich noch einen Plan zur Vorgehensweise zurechtlegen. Und genau das hatte er getan. Die Trennung musste 1. unwiderruflich sein, 2. so behutsam wie möglich vor sich gehen, ohne dass 1. in Gefahr geriet, und 3. mit dem geringstmöglichen Trara und ohne das Erregen eines öffentlichen Ärgernisses ausgeführt werden.
Es unterschied sich gar nicht mal so sehr von dem Verputzen einer Wand oder der Neuverkabelung einer Steckdose. Ein praktisch veranlagter Mensch schreckte vor solchen Aufgaben nicht zurück. Piotr war ein Idiot.
Er hatte ihr gesagt, dass sie nicht mehr zusammen sein könnten; dass sie eine wunderbare Frau sei, aber dass er wisse, dass sie etwas Besseres verdient habe; dass er noch nicht bereit sei, sich auf jemanden festzulegen, und nicht aus diesem Grund nach London gekommen sei; dass sein wahres Leben in Polen stattfinde und er eines Tages dorthin zurückgehen werde (er deutete an, dass das bald geschehen würde); dass er sein Leben nicht auf einer Lüge aufbauen könne und er das Gefühl habe, er würde sie anlügen, wenn er so täte, als wäre er bereit, sich auf eine feste Beziehung einzulassen. Auf diese Formulierung war Zbigniew besonders stolz. Damit hatte er impliziert, dass er mit ihr Schluss machte, weil er eine sohohe Meinung von ihr hatte. Sie bedeutete ihm so viel, dass er sich von ihr trennte. Welche Frau konnte dem schon widerstehen?
Davina hatte es ganz offensichtlich nicht gekonnt. Sie war still geblieben, hatte mit gesenktem Kopf dagesessen und nicht viel gesagt. Keine Tränen, keine Wut, kein öffentlicher Ausbruch. Zbigniew hatte sie noch nie zuvor so beherrscht und untheatralisch erlebt. Er hatte seine Gründe aufgezählt, und sie hatte sie sich angehört und sie akzeptiert.
»Das war’s dann also«, sagte sie. Ihr Tonfall war traurig und resigniert. Keine Spur von einem durchgeknallten Wutanfall.
»Es tut mir leid«, sagte Zbigniew und steuerte auf den Höhepunkt seines Vortrags zu. »Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.«
»Ich werde dann mal gehen«, hatte Davina gesagt. Und sie war aufgestanden und gegangen. Das war ja schon fast zu einer Tradition geworden, dachte Zbigniew, Leute, die aufstanden und ihn in einer Bar sitzen ließen. Er war noch auf ein Bier geblieben und dann nach Hause gegangen. Dabei war er so gut gelaunt gewesen, dass er sogar fast mit Piotr gesprochen hätte.
Zbigniew schloss die Tür zu dem Haus der verrückten geschiedenen Lady auf – sie hatte ihm am Vortag den Schlüssel gegeben, weil sie plante, zu der Zeit, in der er eintreffen würde, mit ihrem Fitnesstrainer unterwegs zu sein. Er ging, um sich die Zeitungen zu holen. Damit würde er den Boden an den Stellen abdecken, wo er streichen wollte. Er hatte es sich angewöhnt, am Ende des Tages immer alles peinlich sauber zurückzulassen. Das war Teil seiner Bestrebungen, die Dinge anders zu handhaben als britische Handwerker. Es sollten keine Anzeichen davon zurückbleiben, dass hier gerade Arbeiten ausgeführt wurden, von der Arbeit selbst einmal abgesehen. Das war etwas, das viele Leute an den britischen Handwerkern beklagten: dass sie immer so taten, als gehöre ihnen das Haus, in dem sie arbeiteten. Zbigniew wusste es besser und vermied diesen Fehler geflissentlich. Es kostete am Anfang und am Ende des Tages immer ein wenig mehr Zeit, aber es war die Mühe wert.
Heute würde er mit dem Streichen fertig werden, dachte er. Die geschiedene Lady hatte »ein oder zwei andere kleine Arbeiten« erwähnt, die er hier noch erledigen konnte, ohne aber Genaueres hinzuzufügen. Er wusste also nicht mit letzter Sicherheit, ob es noch mehr Arbeit geben würde. Aber das war nicht so wichtig; er hatte noch einen anderen Job in der Mackell Road, in der Nähe der Pepys Road, wo er eine Küche renovieren sollte. Im Augenblick war seine Auftragslage ziemlich gut. Und falls er nach diesem Auftrag nicht unmittelbar etwas Neues bekam, würde er einfach für ein paar Tage nach Polen
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