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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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sich, genau wie ihre Mutter es getan hatte, über ihre Handtasche beugte, um etwas herauszufischen. Die Trauer kam wie eine Flutwelle und zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Aber die Erschöpfung und Demoralisierung, die sie empfand, waren etwas anderes als diese plötzlichen Anfälle. Sie waren die ganze Zeit da, genau wie das Wetter.
    Es geschah kein Wunder. Sie wachte nicht etwa eines Morgens auf und fühlte sich plötzlich ganz anders. Doch es gab erst kurze Augenblicke und dann sogar mehrere Stunden, in denen die Lähmung nachließ. Die Wellen der Trauer kamen zwar nach wie vor, aber sie fühlte sich nicht mehr die ganze Zeit erschöpft und unschlüssig. Sie kochte eines von Jamies Rezepten: Perlhuhn mit frischen Orangen. Das Ergebnis war absolut ekelhaft – das Rezept funktionierte nicht, es gehörte zu Jamies eher unbrauchbarenIdeen. Aber es lag ja auch auf der Hand, dass das ein vollkommen idiotischer Einfall war: Huhn mit Orangen? Trotzdem fühlte sie sich danach viel besser, allein deshalb, weil sie die Energie aufgebracht hatte, es zu versuchen. Allmählich merkte sie, wie sie wieder kleinere Entscheidungen treffen konnte, und dann auch größere, und eines Abends stellte sie fest, dass sie nicht nur bereit war zu entscheiden, was mit dem Haus passieren sollte, sondern dass sie diese Entscheidung bereits getroffen hatte. Der polnische Bauunternehmer hatte zwar nicht die Erfahrung, die ein Auftrag dieser Größenordnung erforderte, aber er wusste, wie die einzelnen Arbeiten zu machen waren, er hatte erfahrene Leute an der Hand, die ihm helfen konnten, er hatte den niedrigsten Kostenvoranschlag geschickt (er lag um 30 Prozent unter den anderen), und er war zum Begräbnis ihrer Mutter gekommen.
    Sie sprach die Sache mit Alan durch. »Ich bin immer dafür, bei meinen Landsleuten einzukaufen«, sagte er. »Aber ein Drittel weniger ist ein Drittel weniger.« Daraufhin rief sie den Polen auf seinem Handy an. Er klang überrascht und erfreut. Eine Woche später begann er mit der Arbeit in Nummer 42. Er fing mit den Räumen im obersten Stockwerk an, riss alles raus und begann dann mit den Renovierungsarbeiten. Mittlerweile wohnte er sogar dort, nach einem Gespräch, das er mit Mary geführt hatte, als sie nach London gefahren war, um zu sehen, wie er mit dem Haus vorankam. Sie hatten sich im Vorfeld darauf geeinigt, dass sie alle zwei bis vier Wochen nach ihm schauen würde. Das war auch etwas, worin Zbigniew sich von den englischen Handwerkern unterschied: Es machte ihm nichts aus, wenn man seine Fortschritte überprüfte.
    »Es gefällt mir nicht, dass das Haus leer steht«, sagte Mary. Der Gedanke, dass dieses Haus, das, soweit sie sich zurückerinnern konnte, immer von der Gegenwart ihrer Mutter erfüllt gewesen war, jetzt unbewohnt war, widerstrebte ihr. Das Gefühl, dass jemand fehlte, war einfach zu überwältigend; es riss eine zu große Lücke in ihre Welt.
    »Das lässt sich leicht beheben«, sagte Zbigniew. »Ich kann hier wohnen. Ich lege mir eine Matratze auf die Erde. Das macht mir nichts aus. Das ist sicherer, Ihre Versicherung ist nicht mehr so teuer, wenn das Haus bewohnt ist« – daran hatte Mary gar nicht gedacht –, »und ich kann früher mit der Arbeit anfangen, und später aufhören, so dass ich viel schneller fertig werde.«
    »Ich muss noch mit meinem Mann darüber sprechen. Aber es scheint mir eine gute Idee zu sein«, hatte Mary gesagt. Und zwei Tage später hatte sie ihn angerufen und ihm gesagt, er solle einziehen.
    So kam es, dass Zbigniew das Haus Nummer 42 in der Pepys Road nicht nur renovierte, sondern auch darin wohnte. Die Sache mit der Arbeit war ein wenig unangenehm für Zbigniew, denn für einen Teil davon würde er Piotrs Arbeitstrupp brauchen, und seine Freundschaft mit Piotr hatte sich von der Geschichte mit Davina nie mehr richtig erholt. Aber sie einigten sich auf einen Zeitplan. Das war sehr großzügig von Piotr, denn er forderte keine Gewinnbeteiligung und ermöglichte es Zbigniew auf diesem Wege, sein eigenes Bauunternehmen zu gründen. Letztlich hieß das, dass sie im Begriff waren, mit ihren Arbeitsaufträgen getrennte Wege zu gehen. Sei’s drum. Der Trupp stand aber im Augenblick noch nicht zur Verfügung, so dass Zbigniew mit den Arbeiten anfing, die er allein bewältigen konnte. Er begann mit den kniffligsten Aufgaben und hob sich die Arbeiten, bei denen er mehrere Leute oder Spezialisten brauchte, für später auf.
    Es gab einen Speicher, aber Mary und

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