Kapital: Roman (German Edition)
dass er sie dort in einer halben Stunde treffen würde.
Zbigniew kannte den Pub, er gehörte zu den Kneipen am ehemaligen Viehmarkt, ganz in der Nähe des Parks. Zwanzig Minutenspäter war er dort und setzte sich an die Bar. Sie war pünktlich.
»Das ist ganz und gar meine Schuld«, sagte Zbigniew und hob entschuldigend die Hände. »Hundertprozentig. Habe nicht nachgedacht und nicht richtig hingeschaut.«
»Ist nicht so schlimm. Danke, dass Sie es mir direkt gebracht haben«, sagte Matya. Sie hatte sich umgezogen und trug nun statt der Jeans, die sie tagsüber immer anhatte, ein eng geschnittenes Kleid. Zbigniew merkte, dass er kaum die Augen davon abwenden konnte. Und gleichzeitig fand er es fast unmöglich, diesen Anblick zu ertragen. Sie war wirklich wunderschön. Er wünschte, ihm würde etwas Kluges oder Lustiges einfallen, das er hätte sagen können, aber das Einzige, was ihm in den Sinn kam, war: »Kann ich Sie auf einen Drink einladen?«
»Nein«, sagte sie, lächelte jedoch, schaute erst auf den Boden, dann wieder hoch und fügte schließlich hinzu: »Jedenfalls nicht heute Abend.« Und Zbigniew, der begriff, was sie damit meinte, fühlte sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit für einen kurzen Moment wahrhaft glücklich. Sie verabredeten sich für einen Tag in der folgenden Woche, sie ging, und er schwebte nach Hause. Es war perfekt. Perfekter hätte es gar nicht laufen können.
Zbigniew überlegte sehr lange und ausgiebig, was er mit Matya während ihrer ersten Verabredung unternehmen sollte. Zbigniew sah sich selbst als den wohl unromantischsten Menschen, den es auf Erden nur geben konnte. Sachlich, praktisch, leidenschaftslos, maßvoll und vernünftig. Fast alle Aktivitäten, die es im Leben gab, konnte man so angehen, als gäbe es ein geheimes Benutzerhandbuch dafür. Die Anziehungskraft des anderen Geschlechts und das Bedürfnis, einen Partner zu finden, waren pragmatische Gegebenheiten, und die Art und Weise, wie man an die Sache heranging, sollte es ebenfalls sein. Es war Zbigniew jedoch aufgefallen, dass die Welt keineswegs so funktionierte. Und davon mal ganz abgesehen, hatte Matya etwas an sich, das ihm das Gefühl gab, als wäre an dieser Geschichte mit der Romantik vielleicht doch etwasdran … Und er wusste genau – hatte es deutlich gesehen –, dass die richtige Methode, um mit ihr umzugehen, die war, sie so zu behandeln, als sei sie etwas Besonderes. Sie war anders als die anderen Frauen.
Zu dieser Überzeugung war er nicht zuletzt wegen seiner Erfahrungen mit Davina gekommen. Durch sie hatte er sich der Wahrheit stellen müssen, dass die Menschen eben nicht mit einem Benutzerhandbuch geliefert wurden. Er würde diesen Fehler nicht noch einmal machen; er wollte Matya auf keinen Fall benutzen. Er würde ihr nur Gefühle entgegenbringen, die er tatsächlich empfand, und aufpassen, dass ihm die Sache nicht noch einmal entglitt. Er würde versuchen, sich mehr wie ein Mann zu verhalten. Er war sich nicht ganz sicher, was das bedeutete, aber er hatte das Gefühl, dass dieser Gedanke ihm eine Pflicht auferlegte.
Der einfachste Weg, um Matya anders zu behandeln, war, etwas mit ihr zu unternehmen, das er noch nie zuvor mit jemandem gemacht hatte. Etwas, was er früher immer als zu mühsam oder zu anstrengend empfunden hätte. Ins Kino zu gehen, wäre zu einfach und auch nicht romantisch genug, und außerdem hatte er das bereits mit anderen Frauen getan. Ein Restaurant wäre romantisch, aber auch teuer. Und dort, wo Matya würde hingehen wollen – französische oder italienische Restaurants –, fühlte er sich nicht wohl. Und sie würde wahrscheinlich spüren, dass er sich wegen der Rechnung Gedanken machte. Frauen hatten einen Blick für so etwas. Ein langer Spaziergang im Park? Zu romantisch. Das hatte viel zu viel Ähnlichkeit mit einer Szene aus einem Film. Das würde ihr den Eindruck vermitteln, als sei er zum Äußersten entschlossen und im Begriff, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Eine Fahrt ans Meer, nach Brighton – das wäre etwas, das er selbst noch nie gemacht hatte, und daher sehr romantisch und außerdem auch noch ziemlich spannend, weil es etwas Neues zu entdecken geben würde. Aber dabei konnte auch viel schiefgehen, und teuer würde es außerdem werden.
Also entschloss er sich, mit ihr einen Spaziergang entlang der South Bank zu machen. Er wusste, dass viele Leute das taten, hatte es jedoch noch nie selbst gemacht. Als er ihr am Telefon den Vorschlag unterbreitete,
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