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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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Verbindungsmann vom MI5.
    »Nein, hat er nicht. Das ist so lange her, dass schon längst Gras über die Sache gewachsen ist. Es liegt mehr als zehn Jahre zurück.Gut und schön, dann ist er halt nach Tschetschenien gefahren. Was hat das schon zu bedeuten! Sonst gibt es da gar nichts. Er ist nicht vorbestraft. Es liegt nicht das Geringste gegen ihn vor. Nichts von unseren Leuten in der Moschee, nichts im Zusammenhang mit den Reisen, die er unternommen hat, kein irgendwie erkennbares Muster. Es müsste schon ein sehr seltsamer Schläfer sein, der ein ganzes Jahrzehnt überhaupt nichts unternimmt. Als er in Tschetschenien war, gab es Al-Qaida noch gar nicht. Alles nur Schwachsinn.«
    »Bevor wir Iqbal Rashid nicht gefunden haben, wird er nirgendwo hingehen«, sagte der Mann vom MI5. Und dabei blieb es. Shahid war seit zehn Tagen im Gefängnis. Man konnte ihn noch weitere achtzehn Tage festhalten, ohne Anklage zu erheben.

83
    »Mir ist schlecht«, sagte Matya. »Wie nennt man das noch? Wenn man in einem Auto ist oder auf einem Boot. Schlecht von der Bewegung.«
    » Cierpiący na morską chorobê« , sagte Zbigniew. »Keine Ahnung, wie das auf Englisch heißt.«
    Sie waren in einer Kabine des London Eye und hatten auf dem Weg nach oben schon mehr als die Hälfte zurückgelegt. Zbigniew war überrascht gewesen, wie unangenehm er es gefunden hatte, das Rad zu betreten. Es drehte sich unerbittlich immer weiter und konnte nicht verlangsamt oder angehalten werden. Matya, die offenbar das gleiche Gefühl hatte wie er, hatte während des Einsteigens eine Hand auf seinen Ellbogen gelegt. Das war schon mal gut. Und dann ging es in der gläsernen Kapsel ab nach oben. Sie waren nicht allein: mehrere Touristen – sieben Japaner und ein paar Südeuropäer – steckten auch im Innern dieser seltsamen Blase. Die Japaner veranstalteten ein Gerangel darum, wer von ihnen das beste Foto von sich selbst und der Aussicht mit seinem Mobiltelefon aufnehmen konnte.
    Die Stadt breitete sich unter ihnen aus. Zbigniew tat erst nur so, als wollte er die Aussicht bewundern – denn der eigentliche Grund für sein Hiersein war, dass er Zeit mit Matya verbringen wollte, alles Andere war ihm nicht so wichtig –, aber dann merkte er, wie er sich dafür zu begeistern begann. Er arbeitete nun seit drei Jahren in London, doch das meiste, was er hier sah, war ihm vollkommen unbekannt. London war groß, und die Mitte der Stadt lag ziemlich tief. Zu beiden Seiten stieg das Land ein wenig an, als befände sich die Stadt inmitten einer riesigen Untertasse. Nord und Süd waren nicht da, wo er sie vermutet hätte. Und der grüne Fleck in ungefähr vier Kilometern Entfernung, der etwas, aber nichtsehr viel höher als der Fluss lag, musste der Park sein. Zbigniew, der bisher keinerlei Gefühle für London gehegt hatte, jedenfalls keine, derer er sich bewusst gewesen wäre, war trotz allem beeindruckt. Eins musste man London lassen: Es gab ziemlich viel davon.
    Die Sache mit dem Handy hatte perfekt funktioniert. Er hatte zwei Stunden gewartet. Er war nach Hause gegangen, hatte sich an den Küchentisch gesetzt, nach seinen Aktien geschaut, einen Teller Fleischeintopf gegessen, den einer aus Piotrs Trupp gekocht hatte, und dann, gerade als er dachte, dass er wohl selbst die Initiative ergreifen musste, hatte das Telefon geklingelt. Der Klingelton war »Crazy« von Gnarls Barkley – was möglicherweise bedeutete, dass sie jemand war, der gerne Musik hörte. Interessant. Die Nummer auf dem Display war seine eigene, und er brauchte einen Moment, um zu verstehen, was passierte: Er rief sich nicht etwa gerade selbst an, sondern Matya rief ihn, oder vielmehr sich selbst, von seinem Handy aus an. Die momentane Verwirrung kam ihm zugute, denn so brauchte er nicht mal so zu tun, als sei er überrascht.
    »Äh, ja, wer ist da?«, fragte Zbigniew.
    »Wer sind Sie? Warum haben Sie mein Handy?«, fragte Matya.
    »Warum ich Ihr Handy habe? Warum haben Sie mein Handy?«
    Dann gelang es ihnen, auseinanderzuklamüsern, was geschehen war. Nokia sei Dank für die Beliebtheit und Allgegenwart des N60-Modells. Es war Zbigniew klar, dass es jetzt unbedingt ratsam war, sich ritterlich zu geben. Also machte er keinen Hehl aus der Tatsache, dass alles seine Schuld war und dass er dem Problem Abhilfe schaffen würde, indem er ihr jetzt sofort das Handy vorbeibrachte. Sie einigten sich darauf, dass Matya zu dem Pub gehen würde, der ungefähr hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt lag, und

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