Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
Vom Netzwerk:
keine Ausnahme. Es ist überhaupt nicht so wie im Fernsehen. Meistens weiß man schon lange vorher, was passieren wird. Es gibt nur selten Überraschungen. Und erfreuliche Überraschungen sind noch viel seltener.«
    Dann schwieg er wieder eine Weile. Shahid sah keine Notwendigkeit, irgendetwas zu sagen.
    »Und dann kommt auf einmal etwas daher, das ein kleines bisschen anders ist als das ganze Einerlei«, sagte Mill. »Und das erinnert einen dann daran, warum man überhaupt Polizist werden wollte. Zum Beispiel jetzt hier zu sein. Ich war noch nie hier. Paddington Green. Hier bringen sie die Terrorverdächtigen hin, wie Sie ja wissen. Schon seit ewigen Zeiten, seit damals, als das mit der IRA angefangen hat. Ich habe diesen Ort mein Leben lang in den Nachrichten gesehen. Aber jetzt bin ich zum ersten Mal hier drin.Das ist etwas ganz Neues. Ziemlich cool. Ich finde es klasse, wenn etwas Neues passiert.«
    Mill hörte wieder auf zu sprechen und schien einem Gedanken nachzuhängen.
    »Und ich sage Ihnen, was noch cool ist. Terrorismus ist cool. Ich meine natürlich nicht, dass es cool ist, etwas Terroristisches zu tun. Aber denken Sie nur an die ganzen Ressourcen, die da aufgewendet werden. Von einem polizeilichen Standpunkt aus gesehen. Asoziales Verhalten und der ganze Kram, das ist nicht so ’ne große Sache für uns. Die Leute regen sich darüber auf, aber für so was quält man sich nicht morgens aus dem Bett. Jemand hat Ihr Fahrrad gestohlen? Na dann viel Glück. Jemand will irgendwo eine Bombe hochgehen lassen? Das ist dann schon gleich was ganz anderes. Das meine ich mit ›cool‹. Was einem da alles an Mitteln zur Verfügung gestellt wird, sobald es um terroristische Bedrohung geht. Es ist wirklich erstaunlich, was man mit solchen Ressourcen alles machen kann. Man kann zum Beispiel den Internetanbieter einer Person auffordern, der Polizei die Protokolle auszuhändigen, anhand derer man erkennen kann, welche Webseiten diese Person in den letzten beiden Jahren besucht hat. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist, genug Leute zusammenzubringen, die das Material dann sichten, um zu schauen, wo uns das hinführt. Und jetzt kommen wir zu der Überraschung. Jedenfalls fand ich die Sache überraschend. Konnten Sie mir so weit folgen?«
    Mill beobachtete Shahid genau. Er suchte nach Anzeichen dafür, dass Shahid wusste, was als Nächstes folgen würde. Aber er konnte nichts entdecken. Shahid sah genauso aus, wie er schon die ganze Zeit ausgesehen hatte – wie ein gereizter und, wie man zugeben musste, nicht besonders schuldig wirkender Mann Anfang dreißig. Er nickte als Antwort auf Mills Frage.
    »Wir haben Folgendes entdeckt: Der ganze anfängliche Internetverkehr, der zum Erstellen des Blogs W IR W OLLEN W AS I HR H ABT geführt hat – der Blog, der der Grund für die Versammlungwar, zu der Sie gekommen sind – ist über Ihre IP-Adresse gelaufen.«
    Mill verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und beobachtete sein Gegenüber. Es war unverkennbar: Shahid Kamals erste Reaktion war ein totaler Schock.
    »Was?«
    »Genau – von Ihrer IP-Adresse. Aber nicht von Ihrem PC, oder falls doch, dann haben Sie Ihre Festplatte mit professioneller Hilfe aufräumen lassen, und zwar nur diese Dateien und keine anderen. Meine Kollegen haben mir gesagt, eine solche Vorgehensweise sei sehr unwahrscheinlich. Aber es war definitiv Ihre IP-Adresse.«
    Shahid schaute zur Seite und dachte einen Moment lang nach.
    »Das ist doch ein Trick. Der Grund, warum Sie dieses Gespräch nicht aufnehmen, ist doch, dass das alles eine Lüge ist, und Sie versuchen, mir irgendeine Falle zu stellen. Sie und Ihre Kollegen, Sie haben doch nichts gegen mich in der Hand, deshalb benutzen Sie jetzt einfach diese Sache, die da in der Straße passiert ist, und hängen sie mir auch noch an.«
    Als Antwort darauf streckte Mill die Hand aus und schaltete das Aufnahmegerät ein, das sich immer im Vernehmungszimmer befand und das an der Wand befestigt war. Er sagte:
    »Kriminalinspektor Charles Mill, 16. September 2008, Vernehmung von Shahid Kamal, Aufnahme beginnt um« – er sah auf seine Uhr – »14:17, keine anderen Personen anwesend. Also, Shahid, ich habe Ihnen gerade mitgeteilt, dass es eine klar erwiesene Verbindung zwischen Ihrer IP-Adresse aus Ihrer Wohnung und dem Blog W IR W OLLEN W AS I HR H ABT gibt, gegen dessen Betreiber wegen Belästigung, Hausfriedensbruch, Verbreitung von Obszönitäten und Vandalismus ermittelt

Weitere Kostenlose Bücher