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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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einfließen, das unablässig Gefahr lief, sich zu sehr über die betroffenen Personen zu definieren. Menschen, die mit Immigranten zu tun hatten, gelangten leicht zu der Überzeugung, dass sie für die Immigranten da waren und ihnen helfen mussten. Das war ein Fehler, der Peter niemals unterlaufen würde. Er vergaß nie, von wem er sein Gehalt bezog. Er entschied nicht unbedingt in allen Fällen für die Regierung (oder, wie er es ausdrücken würde, für den Steuerzahler), aber er tat es so oft, dass sich seine und Alisons Urteile mehr oder weniger gegenseitig aufhoben. Sie kamen jedoch trotz allem gut miteinander aus, sprachen in neutralem Tonfall über ihre Arbeit, hauptsächlich, wenn es um fachwissenschaftliche Fragen ging, und hatten privat absolut nichts miteinander zu tun.
    »Und, was haben Sie heute?«, fragte Peter, gähnte ausgiebig – was auf seine Dehnübung zurückzuführen war – und knotetedann die Schleife an seiner eigenen Akte auf. »Ich bin heute überhaupt nicht in der Stimmung, wir sind gestern Abend bei Josies Vater fast zwanzig Kilometer durchs Gelände geritten, und jetzt bin ich so steif, dass ich mich kaum bewegen kann. Langsam werde ich zu alt für so was. Und, was liegt an?«
    Alison hatte die erste Seite ihres Falls schon durchgelesen.
    »Ein Dissident aus Saudi-Arabien. Und Sie?«
    »Irgend so eine Frau aus Zimbabwe. Quentina Soundso.«

88
    Roger kam erst am späten Vormittag nach unten. Die Post, die er dort vorfand, bestand aus drei Rechnungen und einem geheimnisvollen DIN-A5-Umschlag. Der Inhalt war ganz offensichtlich weder ein Buch noch eine CD. Er öffnete den Umschlag und zuckte mit dem Kopf zurück, als er sah, was sich darin befand: Eine tote Amsel, bei der schon die Leichenstarre eingesetzt hatte. Und angefangen zu stinken hatte sie auch bereits. Beigefügt war eine Karte mit dem üblichen Inhalt: W IR W OLLEN W AS I HR H ABT . Er warf alles zusammen in die Mülltonne in der Küche. Der Tag hatte ja toll angefangen.
    Die grenzenlose Ungerechtigkeit des Lebens. Das war etwas, das Roger einfach nicht aus dem Kopf bekam, er konnte nicht aufhören, daran zu denken. Die grenzenlose Ungerechtigkeit des Lebens.
    Er war ordnungsgemäß seiner Arbeit nachgegangen. Er war weder unzuverlässig noch nachlässig gewesen. Wenn er einmal absolut ehrlich wäre – so ehrlich, wie man werden würde, wenn man in gefesseltem Zustand jeden Fingernagel einzeln herausgerissen bekäme –, dann müsste er zugeben, dass es eine Zeit gegeben hatte, als er ein ganz kleines bisschen abgelenkt gewesen war, ein wenig traumverloren, ein winziges bisschen zu geneigt, hier und da ein Stündchen darüber nachzusinnen, wie schön es wäre, Matya über seinen Schreibtisch zu beugen und es ihr von hinten zu besorgen. Aber das hatte nur kurze Zeit gedauert und war, davon abgesehen, auch nicht schlimmer als das, was alle anderen taten. Er kam sich ganz so vor, als würde man ihn für ein Verbrechen bestrafen – und was hatte er denn je für ein Unrecht getan, außer dass er einen Betrüger und Soziopathen zum Stellvertreter hatte? Es war einfach nicht fair.
    Das Schlimmste daran war die rechnerische Seite der Angelegenheit. Die Ausgaben der Younts waren genau dieselben geblieben. Es gab zwei Häuser, die gepflegt und instandgehalten werden mussten, beide nicht gerade billig, es mussten Kleider gekauft und Ferien bezahlt werden, und es galt, für Arabellas komplett außer Kontrolle geratene Kaufwut aufzukommen. Wenige Tage nachdem er gefeuert worden war, hatte er ihr zu diesem Thema einen kleinen Vortrag gehalten, der zur Folge hatte, dass sie, um sich aufzuheitern, mit Saskia ausgegangen war, sich betrunken hatte und in einem Taxi zusammen mit vier riesigen Einkaufstaschen voll neuer Kleider nach Hause gekommen war. Mit Arabella über Geld zu reden war ungefähr so ähnlich, als wollte man mit einem Kind über Kernphysik diskutieren. Dann gab es da noch die Autos und die ganzen Wartungs- und Dienstleistungskosten, die astronomische Höhen erreichten – zufällig hatte er gerade in den letzten Tagen die Rechnungen für die Auto- und die Reiseversicherung bezahlen müssen. Daraufhin hatte er in den Gebäudeversicherungsverträgen nachgeschaut, nur um festzustellen, dass die darin aufgeführten Kosten geradezu apokalyptische Ausmaße annahmen, und das, obwohl sie die ebenfalls apokalyptisch hohen Kosten für die Alarmanlage und das Haussicherungssystem nicht gescheut hatten. Dann gab es da noch die Auslagen für

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