Kapital: Roman (German Edition)
Road, die ansonsten für Strafzettel kein besonders lukratives Pflaster war. Heute aber war das anders. Auf den Besucherparkplätzen stand ein Range Rover, dessen Parkschein nur noch zwanzig Minuten gültig war, und ein silberner Golf mit einer Zulassung von 2005, der innerhalb der nächsten Stunde wegfahren musste – also nichts von besonderem Interesse. Aber drei Parkplätze von dem Haus des Fußball-Rechtsanwalts entfernt stand genau das Auto, von dem Quentina immer geträumt hatte: ein Aston Martin DB7, ein richtiges James-Bond-Auto, das mindestens 150000 £ gekostet hatte. Die ganze Sache wurde sogar noch besser, denn der Besitzer hatte zwar einen Parkschein gelöst, stand aber in dem Bereich, in dem nur Anwohner parken durften, und nicht dort, wo sowohl Anwohner als auch Besucher zugelassen waren. Er wusste offensichtlich nicht, dass sich die Parkvorschriften in dieser Straße in letzter Zeit etwas verändert hatten, und hatte den klassischen Pepys-Road-Fehler gemacht.
Es war keine Menschenseele in der Straße, und Quentina hätte eigentlich ganz ungestört zu dem Auto gehen, den Strafzettel ausstellen und die Fotos machen können. Aber manchmal war es ratsam, etwas raffinierter vorzugehen. Quentina lief ungefähr fünfzig Meter weiter die Straße hinunter, merkte sich im Vorübergehen das Nummernschild, die Marke und das Modell und tat dann so, als würde sie ganz geistesabwesend und rein zufällig irgendwelche Daten in ihr Gerät eintippen. Die Leute kamen meistensnur dann schreiend aus dem Haus gelaufen, wenn sie sahen, dass sie direkt neben ihrem Auto stand. Der ungültige Parkschein lief erst in einer Stunde aus, also hatte sie eigentlich noch genug Zeit, bevor der Fahrer zurückkam, aber man konnte ja nie wissen. Es war immer besser, vorsichtig zu sein. Quentina druckte den Strafzettel aus und steckte ihn in einen Plastikumschlag. Jetzt wurde es ernst. Sie drehte sich um, ging rasch auf das glänzende Auto zu, das ganz offensichtlich erst vor Kurzem gewaschen worden war, hob die Scheibenwischer hoch – selbst die fühlten sich teuer an – und schob den Strafzettel darunter. Dann ging sie ein paar Schritte rückwärts, abwechselnd die Bordkante hoch- und wieder runtersteigend, um die entsprechenden Parkverbotsschilder ins Bild zu bekommen, und machte vier Digitalfotos. Das Ding war im Kasten!
Jeder hasste es, ein Knöllchen zu bekommen, genau wie jeder den ganzen Verkehr auf den Straßen hasste – von dem eigenen Auto natürlich mal abgesehen. Jeder wusste, dass der Verkehr in der Stadt vollkommen zum Erliegen kommen würde, wenn es keine Einschränkungen dafür gäbe, wo man parken konnte, und auch, dass alle Leute diese Vorschriften ohne jeden Skrupel ignorieren würden, wenn es niemanden gäbe, der für ihre Einhaltung sorgte. Aber keiner wollte, dass diese Gesetze auch für ihn persönlich galten. Quentina hatte sich schon oft anhören müssen, dass es eine Schande sei, dass die Gesetze gegen die Autofahrer die einzigen verdammten Gesetze seien, die jemals wirklich durchgesetzt wurden, verdammt noch mal. Aber das war nicht ihr Problem, fand Quentina. Sie hatte keine Angst vor Auseinandersetzungen. Das war ihr Glück, denn es verging kein Arbeitstag, an dem es nicht mindestens einen Zusammenstoß mit irgendeinem Autofahrer gegeben hätte, dem sie gerade einen Strafzettel verpasst hatte und der sich daraufhin aufgeregt oder wütend oder hysterisch schluchzend auf sie stürzte. Manchmal warfen die Leute ihr auch rassistische Beleidigungen oder Drohungen an den Kopf oder führten sich auf wie Wahnsinnige. Es war besser für alle Beteiligten,wenn man solche hässlichen Szenen vermied. Quentina ging gut gelaunt weiter die Straße hinunter. Und weil sie gut gelaunt war und es auf die Tagesquote keinerlei Einfluss gehabt hätte, machte sie nur eine kleine Notiz, als sie in einem 2003 registrierten A-Klasse-Mercedes einen schon seit zehn Tagen abgelaufenen Anwohnerparkausweis entdeckte, und verzichtete großzügig auf ein Knöllchen. Dann verließ Quentina die Straße, um andernorts Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie freute sich darauf, nach der Arbeit den Kollegen das Foto des Aston Martin zu zeigen. Sie würde ihnen erzählen, dass sie James Bond persönlich einen Strafzettel verpasst hatte. In seinem Smoking. Und dass die Frau aus Casino Royale auch dabei gewesen war.
9
Michael Lipton-Miller – von seinen Freunden »Mickey« genannt – stand in dem Haus in der Pepys Road Nummer 27, das er sich
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