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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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als Finanzinvestition gekauft hatte. Er hatte ein Notizbrett unter seinen linken Arm geklemmt, hielt sich einen BlackBerry an sein rechtes Ohr, in seiner linken Jackentasche vibrierte ein iPhone, in seiner rechten Jackentasche steckte ein Brief von einem Rechtsanwalt, der seine Scheidungskonditionen mit ihm besprechen wollte, zu seinen Füßen stand sein Aktenkoffer, und sein Kopf schmerzte, weil er zu wenig getrunken hatte. Was ihm von all diesen Dingen gerade am meisten die Laune vermieste, war das Notizbrett. Darauf stand eine Liste von Sachen, die in dem Haus gemacht werden mussten, um es für die Ankunft eines neuen Gastes vorzubereiten. Mickey war eigentlich als Rechtsanwalt zugelassen, praktizierte aber längst nicht mehr. Stattdessen hatte er einen Vollzeitjob als Faktotum, Problembeheber und Mädchen für alles bei einem Fußballclub in der Premier League. Er liebte seine Arbeit. Er liebte das Gefühl, ein Mann zu sein, der die Dinge so richtig anpacken konnte. Seine Herangehensweise an das Leben war vielleicht etwas protzig und großspurig, aber das bedeutete auch, dass er die meisten Sachen eben nicht so eng sah und über ein weitherzigeres und großzügigeres Wesen verfügte als so manch anderer. Und für ein solches Wesen war das Überprüfen einer detaillierten Liste von Geschirr, DVD-Ausstattung und Toilettenpapier nicht gerade das ideale Terrain. Aber leider hatte er letzte Woche seinen Assistenten gefeuert. (Das vibrierende iPhone bedeutete vermutlich, dass sich jemand auf seine Bemühungen nach einem Ersatz hin meldete. Einer seiner Lieblingsscherze war, dass es Zeiten gab, in denen das Vibrieren seines Handys die einzige Form von Sex war, die er in der ganzen Woche abbekam.) Und dastand er nun und steckte bis zum Hals in dem tagtäglichen Kleinkram, der zu bewältigen war, wenn man verwöhnte Fußballer glücklich machen wollte. Er war fünfzig Jahre alt.
    Vor Mickey stand die Frau von der Reinigungsfirma, die die anderen Putzfrauen beaufsichtigt hatte. Sie war groß, schlank und hatte hohe Wangenknochen: ein ziemlich heißer Feger. Mickey vermutete, dass sie aus Ostafrika stammte. Sie stand da und strahlte diese irritierende afrikanische Geduld aus, während Mickey damit beschäftigt war, eine andere Person am Telefon zusammenzustauchen. Sie wirkte keineswegs wie jemand, der darauf wartete, dass man ein Urteil über seine Arbeit fällte. Während er neben ihr stand, kam Mickey ein Gedanke, den er oft in der Gegenwart junger, attraktiver Frauen hatte: Er wunderte sich darüber, dass nicht viel mehr von ihnen ihre Körper für Sex verkauften. Das wäre doch sicherlich einfacher und auch viel einträglicher, als zu arbeiten – besonders diese Art von Arbeit –, und war es denn wirklich so schlimm? Die Leute würden ein Vermögen zahlen, um Sex mit dieser Frau zu haben. Warum in aller Welt zog sie es also vor, Häuser zu putzen, für 4,50 £ die Stunde, oder was auch immer gerade der kümmerliche Mindestlohn war? Vielleicht sollte er ihr ein Angebot machen. Aber im nächsten Moment pfiff Mickey sich zurück. »War doch nur ein Scherz«, sagte er sich in der Abgeschiedenheit seines Kopfes, wo ihn ohnehin keiner hören konnte.
    »Ja, richtig, gut, tut mir leid«, sagte Mickey. »Sollen wir uns das mal ansehen? Ich bin sicher, es ist alles ganz wunderbar, Schätzchen«, sagte er und spielte den großzügigen Gönner. »Aber Sie wissen ja, man ist halt gezwungen …«
    Die Reinigungskraft blieb von seinem Charme völlig unbeeindruckt. Sie senkte nur höflich und fast unmerklich den Kopf.
    Mickey begann mit dem Hausrundgang. Weil normalerweise niemand länger darin wohnte als drei Monate, meistens sogar kürzer, und weil die Bewohner aus allen Ecken und Enden der Welt kamen, war die relativ teure Einrichtung so neutral gehalten wiein einem Hotelzimmer. Die Spieler stammten oft aus armen Familien, und die einzige Bekanntschaft, die sie mit dem Stil der reichen Leute gemacht hatten, war in Hotels gewesen. Also war genau das der Stil, den sie mit sozialem Aufstieg verbanden. Die Wände waren in einer komplizierten weiß-grauen Farbschattierung gestrichen, und die Möbel bildeten eine Mischung aus lauter modernen Stilrichtungen. Die Video- und Stereoanlage war von irgendeiner japanischen Marke, von der Mickey noch nie zuvor gehört hatte, und die Kabel waren alle unter dem Fußboden verlegt, damit niemand aus Versehen vergessen konnte, dass sie dem Vermieter gehörte. Dieses Mal sollte ein afrikanischer

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