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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchaster
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aufhielt. Die Jeans waren auch ein ziemlich guter Gradmesser, was ihr Gewicht anbetraf. Sobald sie nämlich auch nur ein bisschen zugenommen hatte, wirkte ihr knapper Sitz nicht mehr sexy, sondern einfach nur noch zu eng. Als Nächstes zog sie die perlenbestickte Bluse an, die Arabella ihr nach einem Einkaufsbummel geschenkt hatte, und die Wildlederjacke, die ihre Taille schmal machte und ihre Brüste zur Geltung brachte. Warum also das Ganze, wenn es bei Zbigniew all diese Probleme gab? Nun, das lag daran, dass seine Minuspunkte gleichzeitig auch seine Pluspunkte waren. Die Tatsache, dass er aus Polen stammte, bedeutete, dass er genau wusste, wer er war. Nichts an ihm war gekünstelt, es gab in seiner Persönlichkeit oder in der Art, wie er sprach, nichts Falsches.Das war seltsam erfrischend. Die meisten Männer wirkten heutzutage so, als wollten sie dir etwas verkaufen, irgendeine ganz bestimmte Version ihrer selbst. Sie versuchten, dich ins Bett zu kriegen, indem sie vorgaben, etwas zu sein, was sie in Wirklichkeit gar nicht waren. Man musste immer versuchen, hinter die Kulissen zu schauen, sie von ihrer Maske zu befreien und das wahre Ich zu entdecken. Das war ermüdend. Zbigniew war da vollkommen anders.
    Er war nicht reich. Aber das hieß auch, dass er den Wert des Geldes kannte: Man konnte sich auf ihn verlassen, wenn es um Geld ging, konnte sich darauf verlassen, dass er genau verstand, worum es sich dabei drehte. Ein reicher Mann würde ihre Sparsamkeit, ihre Entscheidungen oder ihre Erfolge womöglich kleinlich finden. Es gab Menschen in London, die das Zehn-, Zwanzig-, Fünfzig- oder Tausendfache von dem verdienten, was sie bekam – sehr viele Menschen sogar. Wie viel hatte sie mit dieser Art von Menschen schon gemeinsam? Wie würde ein Freund, der aus dieser Welt stammte, es finden, dass sie in einer WG wohnte, oder woher sollte er wissen, was er sagen sollte, wenn sie ihre Chipkarte für die U-Bahn verlor, auf der noch ganze dreißig Pfund gewesen waren? Bei Zbigniew gab es solche Probleme nicht. Seine Vorstellungen davon, was Geld wert war und was die Dinge kosteten, stimmten mit den ihren vollkommen überein. Und das hieß, dass sie auch ähnliche Träume hatten. Den Leuten, die nach Londoner Begriffen reich waren, kam die Idee eines von Rosen überrankten Landhäuschens mit einem kleinen Garten einfach lächerlich vor – sie konnten sich mit der Hälfte ihres jährlichen Bonusses einfach mal eben eins kaufen. Aber für Matya und Zbigniew sah das alles ganz anders aus.
    Und dann war da noch die Sache mit seinem Beruf, der Umstand, dass er sein Geld mit körperlicher Arbeit verdiente. Matya hielt inne, während sie sich den Lidstrich zog. Hätte jemand ihrem inneren Monolog zuhören können, dann wäre sie jetzt rot geworden. Aber wenn man mal ehrlich war, dann war es ja gerade die Artvon Arbeit, die Zbigniew machte, der er seinen Körperbau zu verdanken hatte. Und sein Körperbau gehörte zu den Dingen, die Matya am meisten an ihm mochte – vor allem, wie kraftvoll er war. Er wirkte keineswegs aufgepumpt, wie ein Bodybuilder oder diese Actionhelden im Fernsehen, und er machte auch nicht den Eindruck, als würde er jeden Moment aus seinen Kleidern platzen. Er war fest und stramm gebaut, und wann immer Matya ihn berührt hatte oder zufällig mit ihm zusammengeprallt war, war ihr genau das jedes Mal aufgefallen: Wie unglaublich fest er sich anfühlte. Er hatte einen muskulösen, gut gepflegten, kompakten Körper, und sie wusste jetzt schon, wie sich seine Haut anfühlen würde, nämlich ganz wunderbar – weich und glatt an der Oberfläche, aber unglaublich straff darunter. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie er im Bett sein würde … Und darüber hinaus hatte er einen echten Sinn für Humor, nicht so wie diese englischen Jungs, die einem damit auf die Nerven gingen, dass sie immer eine Show abzogen und kaum einen Satz sagen konnten, ohne irgendwelche Witze zu reißen. Zbigniews Humor war eher von der leisen Sorte und sehr trocken. Er konnte sehr schnell erkennen, wenn etwas lächerlich war. Wenn er zum Beispiel Mrs Yount nachahmte, wie sie ihre Meinung über die Farbe änderte, in der das Bad gestrichen werden sollte, dann kamen Matya vor Lachen die Tränen.
    Und doch gab es da immer noch Gründe, warum sie ihn sich lieber aus dem Kopf schlagen sollte. Es war ihr nach wie vor sehr lebhaft in Erinnerung, wie sich das angefühlt hatte, damals, als sie es für undenkbar gehalten hatte, mit

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