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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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vor Ben Franklins Nase reinzuziehen«, sagte sie. Sie rollte den Geldschein auseinander und leckte die Überreste von Ben Franklins Gesicht. »Ich mag die Vorstellung, dass der versaute, alte Weiberheld davon einen Ständer kriegt. Deshalb nehme ich nur Hunderter.« Sie musste über ihren eigenen Witz lachen. Sie war groß, kräftig und trug ein blaues Sweatshirt und Laufschuhe. Ihr weißblondes Haar hatte einen maskulinen Schnitt und ihre Bräune war ähnlich intensiv wie die des Tennisprofis, nur machte sie einen verbrannten Eindruck, als sei sie Ergebnis einer Behandlung mit einer Lötlampe.
    Den Männern rang der Witz ein Lächeln ab, wenn auch ein leicht gedankenverlorenes: Sie taxierten mich.
    »Fernie«, sagte Jillian zu dem Mexikaner, »das ist mein Freund Uri Walkinghorse. Er ist muy fuerte, wie Hulk Hogan.« Zum Beweis hielt sie meinen Arm hoch. Was für ein peinlicher Moment, ich fühlte mich wie bei einer Fleischbeschau.
    Fernie stand auf und streckte mir die Hand entgegen. Wie die meisten Mexikaner vermied er es, seine Hand als Schraubstock zu missbrauchen. Für einen Mexikaner ist ein fester Händedruck nicht gleichbedeutend mit einem festen Charakter; ebenso gut konnte es genau das Gegenteil bedeuten.
    Fernie war um die fünfzig, schlank, und er besaß elegance, ungeachtet der lässigen Hosen und des sportlichen Hemds. Er zog die Stirn in Falten als Ausdruck seiner Missbilligung der Art und Weise, wie Jillian mich vorgestellt hatte.
    »El gusto es mío«, sagte er förmlich.
    »Igualmente«, erwiderte ich. Angesichts meiner erbärmlichen Aussprache huschte ein Lächeln über sein Gesicht, ein freundliches Lächeln ohne die geringste Spur von Spott.
    »¿Estaba un matador, señor?«, fragte ich.
    Er hob lediglich die Schultern und streckte seine Hände aus, die Handflächen nach oben. Ich deutete das als ein Ja, ja, er habe ein paar Stiere getötet, aber keinen Beruf daraus gemacht.
    Die Blonde streifte mich mit einem Blick.
    »Que chicotudo«, sagte sie lächelnd. Sie hatte große, gesunde Zähne, doch ihr Lächeln war nicht sympathisch. »Das ist also unser großer, böser, potenter Muffin«, sagte sie. »Ai chihuahua, madre de dios cuídeme!« Sie sprach Spanisch mit hiesigem Akzent. Ihr Lächeln verschwand, als sie mich taxierte. Voller Geringschätzung hob sie die Augenbrauen, dann zog sie sich die zweite Line ins Hirn.
    Der Mexikaner lächelte, als fühle er sich für das unverschämte Verhalten der Frau verantwortlich und wolle sich dafür entschuldigen. Er hatte Geheimratsecken, eine Adlernase und blaue Augen, durch und durch iberisch, kein Tropfen indianisches Blut in den Adern. Seine Vorfahren hatten mit Cortez das Schiff verlassen, und im Laufe der Jahrhunderte hatte nicht einer seiner Ahnen eine Indianerin zur Frau genommen. In Mexikos Kastensystem hatten Männer wie er das Sagen.
    »Sie sind der nette Pfadfinder, der Jilly geholfen hat, Clives Leiche wegzuschaffen, stimmt’s?«, meldete sich der Tennisprofi mit dem Silberhaar zu Wort. »Sie haben uns allen einen großen Gefallen getan, Mr. Walkinghorse.« Er sah mich nicht an, während er mit mir sprach.
    Ich erkannte seine Stimme.
    Es war der Und-mit-wem-spreche-ich-Kerl.
    »Darf ich dir Lenny Trebeaux vorstellen, Uri?«, sagte Jillian. »Lenny war Clives rechte Hand.«
    »Was hat er hier zu suchen, Jilly?«, fragte Trebeaux. Diesmal musterte er mich.
    »Weshalb interessiert ihn das, Jillian?«, fragte ich und gab die Beleidigung zurück, indem ich – das Wort an Jillian gerichtet – Trebeaux ansah.
    Jillian reichte mir einen Drink.
    »Vertragt euch, Jungs«, sagte sie.
    »Kann ich dich mal kurz sprechen?«, fragte ich sie.
    Sie bat die anderen, sie zu entschuldigen, und dann gingen wir einen breiten Flur hinunter, hinein in das holzgetäfelte Zimmer, wo Teddy Roosevelts Waffenschmied über dem Kamin hing und in eine Zukunft blickte, die er sich beim besten Willen nicht hätte vorstellen können.
    Sie schloss die Flügeltür und küsste mich. »Ich bin ein bisschen beduselt«, sagte sie.
    »Hab ich gemerkt.«
    Sie drückte sich von mir weg, beide Hände auf meiner Brust. »Du wirst uns jetzt hier nicht die Stimmung versauen, oder? Wir feiern Lennys Beförderung. Er hat vorläufig den Posten des Generaldirektors der Bank übertragen bekommen. Verstehst du? Hast du die Schecks eingelöst?«
    »Mich interessiert, warum diese Schecks so verdammt wichtig sind. Dein Fahrer und sein Kumpel Victor wollten mich deswegen sogar fertig

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