Kaputt in El Paso
Zunge abgelutscht und ihre Silikon-chichis befingert, während die morena seinen glühenden Schritt bearbeitet hatte. Der Junge, der aussah, als käme er aus dem nördlichen mittleren Westen, war völlig hin und weg vom Leben an der Grenze. Vermutlich hatte er sich bereits gefragt, wie viel Glück ein Mann auf einmal vertragen könne.
Doch als er bei der Blonden richtig hatte hinlangen wollen, war er unter dem paillettenbesetzten Kleid auf Hartholz gestoßen. Er hatte zwischen den beiden gesessen, Bier vom Fass getrunken und sie mit Geschichten aus seinen wilden, sorglosen Teenagertagen ergötzt. Nachdem er die logische Schlussfolgerung aus der Überraschung in seiner Hand gezogen hatte, wich alle Farbe aus seinem Gesicht und die Geschichten fanden in seinem sperrangelweit geöffneten Mund ein jähes Ende. Er sprang auf wie von der Tarantel gestochen, kippte den Tisch um und stieß die Blonde weg, als hätte sie sich in ein tollwütiges Ungeheuer verwandelt. Er jaulte auf, angewidert und erschrocken zugleich, dann ging er mit Fausthieben und Tritten auf die beiden los. Mando sprang über den Tresen und brachte den Knaben mit einem gekonnt ausgeführten Schlag seines Totschlägers auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ich half Mando, den Jungen in die Herrentoilette zu tragen. Wir setzten ihn an die Wand gegenüber den Urinalen. Den großen, rosafarbenen Schädel gegen die feuchten Fliesen gelehnt, verharrte er dort für etwa zehn Minuten, um anschließend auf allen Vieren aus dem Männerklo gekrabbelt zu kommen. Er schaffte es, sich aufzurichten, und wankte aus der Bar. Die Transvestiten hatte es nicht sonderlich schlimm erwischt. Sie hatten es mit wesentlich härteren Zeitgenossen zu tun und wussten, wie man Schlägen und Tritten ausweicht. Der Junge konnte von Glück sagen, dass keine von beiden ihn mit einem Messer aufgeschlitzt hatte. Sie frischten ihr Makeup auf, richteten ihre Klamotten, dankten Mando in tadellosem Spanisch und stolzierten in königlicher Haltung hinaus.
»Diese Gringo Kids«, meinte Mando, »benehmen sich, als bestünden sie nur aus ihrem Schwanz.«
Ich trank aus, verabschiedete mich von Mando und machte mich auf den Weg ins Baron Arms in der Hoffnung, dass mein Apartment nicht von Dieben ausgeräumt worden war. Immerhin war ich fast eine Woche weg gewesen. Ich fühlte mich ganz gut, wenn auch mit einem Male etwas wacklig. Ich atmete nicht nur die Gerüche, ich atmete selbst den Anblick der Mesa tief ein, ich atmete meine Freiheit ein. Ich hatte die Mesa zur Hälfte überquert, als die Ampel umschaltete und ich auf der Mittelinsel stehen bleiben musste. Ein Wagen fuhr langsamer und der Fahrer gab mir einen Dollar. Der Wagen dahinter fuhr ebenfalls langsamer, nur sah mich sein Fahrer mit vorwurfsvoller Miene an. »Such dir einen Job!«, schrie er. »Du bist gesund wie ein Ochse. Geh arbeiten!«
Der nächste Wagen musste bei Rot anhalten. Der Fahrer ignorierte mich, aber die Kinder auf dem Rücksitz warfen mir eine Tüte Gummibärchen zu. »Gracias, niños«, sagte ich. »De nada«, erwiderten sie wie aus einem Munde.
Ich wartete mehrere Ampelphasen ab, bevor ich meinen Posten wieder verließ. Innerhalb von zehn Minuten hatte ich es auf sechs Dollar und eine Tüte Gummibärchen gebracht, ohne irgendjemanden um irgendetwas gebeten zu haben. Die Liebenswürdigkeit von Fremden – nichts, worauf man sich verlassen kann, aber immer etwas, was einen in Erstaunen versetzt.
Ich kam am Kräuterladen Die Heilende Hexe vorbei. Ein Mann, der ähnlich heruntergekommen aussah wie ich, kauerte neben dem Eingang. Kein Dummkopf, denn er wusste, dass Leute, die sich Naturheilkräuter leisten können, Geld haben. Er hatte eine Krücke dabei und ein Schild mit der Aufschrift:
Kriegsinvalide bittet um Hilfe
Gott schütze Sie und die Ihren
Ich beschloss, ihm das Geld zu geben, schließlich hatte ich quasi in seinem Revier gewildert, aber eine Frau war vor mir bei ihm. Sie war in einem nagelneuen Camry vorgefahren, war jung und sah gut aus. Bevor ihm überhaupt klar wurde, dass er ihr Adressat war, ergoss sich auch schon ein Schwall von Worten über ihn. Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte hoch zu ihr. Ihr Gesicht strahlte wie konzentriertes Sonnenlicht, konzentriert genug, um Schaben und Käfer auf der Stelle einzuäschern. Der Bettler zuckte zurück, er fing an zu schwitzen. Sein Lächeln – ein Lächeln aus braunen Stümpfen und Zahnlücken – konnte sie nicht entwaffnen. Sie trug enge
Weitere Kostenlose Bücher