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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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vom verlorenen Sohn mit gegenteiligem Ausgang: Zack war fortgegangen und hatte sein Glück gemacht; ich war geblieben und hatte mein Leben in den Sand gesetzt.
    Ich bat die anderen, mich zu entschuldigen, stand auf und ging Richtung Herrentoilette. Doch ich ging nicht hinein. Um die Ecke befanden sich die Fahrstühle. Ich fuhr hinunter in die Tiefgarage, ging zu meinem alten Ford und fuhr zurück in mein entbehrliches Leben.
    Der Mercedes von Jillian Renseller stand auf dem Parkplatz des Baron Arms, direkt neben meinem Platz. Ich nahm Lenny Trebeaux’ Beretta aus dem Handschuhfach, stieg aus und berührte die Motorhaube des Mercedes. Sie war kalt. Der Wagen musste hier schon eine Weile stehen. Ich fuhr in den dritten Stock. Jillian lehnte an meiner Tür und rauchte eine Zigarette. »Wo um Himmels willen hast du gesteckt?«, fragte sie, warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
    Sie war ganz in Schwarz gekleidet: knöchellanger Rock mit einem breitem Gürtel aus Lackleder, eine Seidenbluse mit langen Ärmeln, hohe Absätze. Weder Makeup noch Schmuck. In ihren dunklen Augen standen Angst und Wut. Sie hatte etwas von einer Nonne auf der Flucht vor durchgeknallten Mönchen.
    Die Abenddämmerung setzte ein. Der Himmel im Westen sah aus wie ein Bild aus einem erstklassigen Motel – die ersten Sterne funkelten rötlich in der sandigen Luft, am Horizont ein kräftiges Purpurrot durchsetzt mit Streifen in der Farbe von Blutorangen, das schwarze Plateau von El Malpais, doch ein abstruser nachträglicher Einfall des Künstlers verkehrte die Stimmung des Bildes ins Abwegige: Einem hämischen Grinsen gleich, schwebte die noch zarte Sichel des Mondes der unendlichen Dunkelheit über ihr entgegen.
    »Ich stehe hier schon seit einer Stunde, verdammt noch mal«, sagte Jillian im Ton einer brüskierten Ehefrau.
    »Ich freue mich auch, dich wieder zu sehen«, erwiderte ich. »Ich wette, du hast gedacht, mir wäre etwas Unangenehmes zugestoßen.«
    »Spar dir deine Sprüche. Ich weiß, was passiert ist, und ich habe alles darangesetzt, um es zu verhindern.«
    »Ich bin im Bilde.«
    Wir gingen hinein. »Was hast du zu trinken da?«, fragte sie.
    »Nur Tequila.«
    Sie verzog das Gesicht. »Aber nicht pur, okay? Mit irgendeinem Saft bitte.«
    Ich goss ein halbes Glas Viuda de Sanchez mit Grapefruitsaft auf. Sie nippte daran und schüttelte sich. »Oh Gott, wie kann man nur so einen Mist trinken!«
    »Du bist schließlich nicht wegen eines Drinks gekommen«, stellte ich fest.
    Sie nahm noch einen Schluck und stellte das Glas ab. »Was du mit Lenny gemacht hast, war ein Fehler«, sagte sie. »Ich habe gedacht, du hättest mehr Verstand.«
    Ich füllte ein Schnapsglas mit Viuda, stellte es aber beiseite. Für heute hatte ich mein Quantum intus. Dann haute ich ihn doch weg. Verstand? Warum ging eigentlich jeder davon aus, dass ich Verstand besäße?
    »Was kümmert es dich?«, fragte ich.
    Sie setzte sich aufs Bett, trank noch einen Schluck und verzog wieder das Gesicht. Sie sah aus wie ein krankes Kind, das gezwungen wurde, bittere Medizin zu schlucken. Ich setzte mich zu ihr, nahm ihr den Drink aus der Hand und küsste ihre kalten Lippen. Sie erwiderte den Kuss, für einen Moment flackerte das Feuer auf, dann entzog sie sich mir.
    »Nein«, sagte sie. »Wir müssen sofort von hier verschwinden.«
    »Ich habe mich in einem anderen Apartment einquartiert. Gehen wir dahin.«
    »Nein. Ich meine, wir müssen für eine Weile die Stadt verlassen.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als versuche sie, etwas Explosives in ihrem Körper in Schach zu halten. Es sah aus, als bekäme sie eine Panikattacke. Ich nahm sie in den Arm, um ihr zu helfen.
    »Was ist passiert, Jillian?«, fragte ich.
    Sie machte sich aus meinen Armen frei. »Ich habe ein zweites Mal versucht, dein Leben zu retten. Das könnte mich jetzt meins kosten.«

Sechsundzwanzig
    Erst als wir in Deming, New Mexico, waren, erzählte sie mir, was sie getan hatte. Der Einbruch bei den Farnsworths war nicht von Solís angeordnet worden. Er war Jillians Idee gewesen. Sie hatte Forbes – der auf Solís’ Gehaltsliste stand, nicht auf ihrer –hinters Licht geführt und überredet, einzubrechen und die Mitschnitte von Monas und Clives Sadomaso-Sitzungen im Kerker mitgehen zu lassen. Sie hatte Forbes davon überzeugen können, dass es das Beste für seinen jefe sei, aber auch für den Ruf ihres Mannes und natürlich für die Cibola Savings and Loan. Forbes hatte keine

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