Kaputt in Hollywood. Stories.
hörte jemand unter meinem Sitz. Dann blies es nochmal, und ein Schwall von 25 Jahre altem Staub stieg mir in die Nase, den Mund, die Augen. Ich wartete. Dann pas sierte es nochmal. Ein richtiger Tornado. Wer immer da unten saß - er brachte es verdammt gut. Ich sprang auf. Ich hörte ein Geräusch unter meinem Sitz, und dann war er auch schon darunter vor und drückte sich vorne zwischen die anderen rein, warf sich in einen Sitz, tauchte unter. Aber ich hörte seine Stimme: »Wenn er herkommt, müßt ihr mir aber helfen, Jungs! Versprecht mir, daß ihr mir helft, wenn er herkommt!« Ich hörte keine Versprechungen, aber er war in Sicherheit: ich konnte die Typen nicht voneinander unterscheiden . . .
Kurz bevor wir aus Louisiana rauskamen, mußte ich nach vorne, um mir einen Becher Wasser zu holen. Sie beobachteten mich.
»Sieh ihn dir an. Sieh ihn dir an.«
»Was 'n häßlicher Knochen.« »Für was
hält der sich eigentlich?«
»Leck mich am Arsch, den knöpfen wir uns vor, wenn wir da draußen auf den Gleisen sind, den bringen wir zum Winseln, der muß uns den Schwanz lutschen!« »Sieh dir das an! Er hat seinen Pappbecher verkehrt rum\ Er trinkt aus dem falschen Ende! Sieh dir das an! Er trinkt aus dem kleinen Ende! Der Kerl hat 'n Stiehl« »Wart's nur ab, den kriegen wir dran, der muß uns den Schwanz lutschen!« Ich trank den Pappbecher leer, füllte nach und leerte ihn nochmal, verkehrt rum. Ich warf den Becher in den Abf 11 kästen und ging wieder nach hinten. Ich hörte sie hinter mir: »Yeah, er benimmt sich komisch. Vielleicht hat er Krach gehabt mit seiner Freundin.« »Wie kommt so einer zu nem Girl?« »Was weiß ich. Hab schon verrücktere Sachen erlebt
In Texas kam der mexikanische Vorarbeiter mit den Konserven an. Er teilte die Dosen aus. Einige davon hatten keine Banderolen mehr und waren schwer verbeult. Er kam zu mir nach hinten. »Bist du Bukowski?« »Ja.«
Er gab mir eine Dose Spam und schrieb »75« in die Spalte »V«, Ich sah, daß ich in Spalte »F« mit 45.90 Dollar in der Kreide stand. Dann gab er mir eine kleine Dose Bohnen. »45« schrieb er jetzt in die Spalte »V«. Er ging wieder nach vorn.
»Hey! Wo is'n hier ein Dosenöffner, verdammt, wie soll man das Zeug fressen ohne 'n Dosenöffner?!« fragte ihn einer.
Der Vorarbeiter schwang sich durchs Vestibül und war verschwunden.
Die Lok nahm in Texas ein paarmal Wasser auf, in kleinen grünen Oasen. Bei jedem Aufenthalt setzten sich 2 oder 3 oder 4 von den Jungs ab. Als wir nach El Paso kamen, waren von 31 noch 23 übrig.
In El Paso hängten sie unseren Waggon ab, und der Zug fuhr weiter. Der mexikanische Vorarbeiter kam durch und sagte: »In El Paso wird übernachtet. Das hier is euer Hotel.«
Er verteilte Tickets. -Das sind eure Tickets fürs Hotel. Da werdet ihr pennen. Morgen frü h nehmt ihr die Nummer 24 nach Los Angeles, und von da gehts weiter nach Sacramen-to. Das hier sind eure Hotel Tickets.« Er kam wieder zu mir nach hinten. »Bist du Bukowski?« »Ja.«
»Hier is dein Hotel.«
Er gab mir das Ticket und schrieb »12,50« in meine Spalte»U«
Keiner hatte es geschafft, seine Konservendose aufzukrie gen. Die wurden dann später eingesammelt und der nächsten Fuhre angedreht.
Ich warf mein Ticket weg und schlief zwei Blocks vom Hotel entfernt in einem Park. Ich wurde von brüllenden Alligatoren aufgeweckt. Einer brüllte besonders laut. Ich sah oder 5 Alligatoren im Teich. Vielleicht waren noch mehr da Und dann waren da noch zwei Matrosen in ihrer weißen Kluft. Der eine stand im Teich, besoffen, und zog einen Alligator am Schwanz. Der Alligator war wütend, aber er war zu langsam und konnte seinen Schädel nicht weit genug herumdrehen, um den Matrosen zu erwischen. Der andere Matrose stand mit einem jungen Girl am Ufer und lachte. Dann, während sich der Matrose im Teich wieder mit seinem Alligator balgte, gingen der andere Matrose und das Girl weg. Ich drehte mich um und schlief. Bei den WasserStops unterwegs nach Los Angeles setzten sich noch mehr Jungs ab. Als wir Los Angeles erreichten, waren von den 31 nur noch 16 übrig.
Der mexikanische Vorarbeiter kam wieder durch den Zug.
»Wir ham in Los Angeles zwei Tage Aufenthalt. Ihr nehmt Mittwoch früh den 9.30 Uhr Zug, Bahnsteig 21, Wagen 42. Steht alles auf dem Umschlag, in dem eure Hotel Tickets sind. Außerdem kriegt ihr Essensmarken, die ihr in French's Cafe in der Main Street einlösen könnt.« Er verteilte zwei Stapel Heftchen. Auf den einen stand UNTERKUNFT, auf
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