Karambolage
erreicht, da und dort hörte man ein kräftiges ›Bon‹ aus den Gesprächsfetzen heraus. Der Hobbyfranzose war also geblieben. Zwischen ihm und Fellner fiel Korber erst jetzt ein halbwüchsiger Junge auf.
Oskar, schoss es ihm durch den Kopf, Oskar Fürst, Schüler am hiesigen Gymnasium und Korber bestens bekannt, obwohl er ihn nicht selbst unterrichtete. Wie alt mochte er sein? 14? 15? Jedenfalls noch ziemlich jung, um mit den Erwachsenen Sekt zu trinken und dabei eine Zigarette nach der anderen zu paffen, trotz seines zugegebenermaßen nicht mehr allzu kindlichen Aussehens.
Leopold hatte sofort Korbers Interesse an dem Jungen bemerkt. »Ist der Neffe vom Fellner«, raunte er ihm zu. »Die zwei stecken öfters zusammen. Der Fellner nimmt ihn beinahe überallhin mit.«
»Er geht bei uns in die Schule«, sagte Korber. »Trinkt mir ein bisschen viel für sein Alter.«
»Von mir hat er keinen Alkohol gekriegt, wenn du darauf anspielst, und was ihm sein Onkel einschenkt, muss mir egal sein. Aber bis morgen wird er schon wieder, die Jugend hält ganz schön viel aus. Du erzähle mir lieber, warum du auf einmal doch gekommen bist, und nicht nur mit einer Dame, sondern gleich mit zwei?«
Korber reagierte mit einer resignierenden Handbewegung. Leopolds Frage hatte ihn wieder auf seinen derzeitigen Gemütszustand aufmerksam gemacht, eine gefährliche Mischung aus Hoffnung und Selbstmitleid, die meistens dazu führte, dass er sich gehen ließ. Er beschloss, seine überschüssigen Gefühle in ein Glas Wein zu investieren, machte einen kleinen Schluck, dann weihte er seinen Freund ein.
»Ich sag dir, auf die Weiber ist kein Verlass«, sagte dieser, als Korber geendet hatte. »Erst tun sie dir schön, dann kriegen sie die Panik und nehmen irgendeinen Anstandswauwau mit. Ich kenn das.«
»Aber ich glaube nicht, dass es so war, Leopold. Die Kleine wirkte wirklich ein wenig hilflos und anhänglich. Ich fürchte, sie wird Maria nicht so schnell von der Kittelfalte weichen. Na ja, sie scheint tatsächlich eine schlimme Kindheit gehabt zu haben.«
»Haben wir das nicht alle, Thomas?«
»Sei nicht schon wieder so zynisch und gemein, Leopold. Ich verstehe ja, wenn sich die beiden kennen, miteinander quatschen wollen und es am Vortag irgendwie nicht geschafft haben, weil sie im Kino waren. Was mich ärgert, ist nur, dass ich mir dabei vorgekommen bin wie das fünfte Rad am Wagen und jetzt erst nicht weiß, ob ich mir bei Maria etwas erhoffen darf.«
»Wenn du meinen Rat hören willst, Thomas: Lass es bleiben. Das Mädchen war ihr heute wichtiger als du, das spricht eine deutliche Sprache.«
Korber überlegte einen Augenblick, ob er darauf antworten sollte. Er wollte nicht mit Leopold streiten, der wieder einmal alles besser wusste. Aber er wollte sich auch einmal nicht in einer Frau getäuscht haben, nur ein einziges Mal. Schließlich trank er zwei hastige Schlucke von seinem Glas und zündete sich eine Zigarette an. Im selben Augenblick öffnete sich ziemlich lautstark die Tür. Herein kam Max Fürst, Oskars Vater.
»Wo ist Oskar?«, zischte er.
Der Bub schob schnell sein Glas zur Seite.
»Da bist du ja, Lausejunge. Hast du schon einmal auf die Uhr geschaut, wie spät es ist? Aber wenn du mit deinem Onkel beisammen bist, ist dir ja alles egal. Morgen ist Schule, und du sitzt im Kaffeehaus und säufst. Kein Wunder, dass deine Leistungen in der Schule ständig nachlassen. Aber zum Glück bin ich noch da. Du kommst jetzt mit mir, aber dalli!«
»Max, ich habe das Turnier heute gewonnen«, meldete sich Fellner zu Wort. Man merkte ihm an, dass er schon einen über den Durst getrunken hatte. »Dein Oskar hat mich dabei lautstark unterstützt, darum darf er auch noch ein wenig mit uns feiern. Komm, setz dich zu uns und nimm auch einen Schluck.«
»Du hast mich wohl falsch verstanden, der Junge geht jetzt«, donnerte Fürst. »Wenn du willst, kannst du hier weitersaufen, bis du unter den Tisch fällst, aber Oskar kommt mit mir. Und falls dir daran liegt, in Zukunft keine größeren Schwierigkeiten zu bekommen, lass deine Finger von ihm. Du bist kein Umgang für ihn. Du bist schuld, dass er in der Schule nichts mehr zusammenbringt und nicht mehr auf seine Mutter und mich hört, du allein.«
»Oskar ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen und zu entscheiden, ob er lieber einen lustigen Abend mit mir verbringt oder sich zu Hause langweilt.«
Oskar war in der Zwischenzeit aufgestanden und hatte seine Jacke angezogen. Er
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