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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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schleunigst die Polizei verständigen. Dann werden wir sicher bald mehr erfahren.«
    »Warte noch einen Augenblick«, sagte Seidl stockend. »Es scheint, als habe ich ihm Unrecht getan.« Er stierte immer noch geradeaus nach vorne. Wie ein Sturzbach schossen die Tränen jetzt aus seinen Augen, suchten sich freie Bahn, alle Dämme brechend. Seidl heulte wie ein kleines Kind und schämte sich nicht dabei.

     
    *

     
    Wenn der Polizei manchmal der Ruf vorausgeht, sie verhalte sich in heiklen Situationen wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, so ist das wohl auf Typen wie Inspektor Bollek zurückzuführen. Ohne ein Wort des Beileids, bloß mit einem kurz hingeworfenen »Wo ist die Leiche?«, trampelten er und seine Ermittler am gebrochenen Erwin Seidl vorbei in dessen Wohnung vor. Bollek führte Befehle aus, und er teilte Befehle aus, das war sein Job. Gefühle interessierten ihn nicht. Außerdem verlor er rasch die Beherrschung. Auch langes Spekulieren und Nachdenken waren nicht sein Fall. Er suchte rasche und eindeutige Lösungen – Lösungen, die sein Hirn zu begreifen vermochte. Mit einem Wort: Alles, was von der geraden Linie abwich, die er in seinem Inneren vorgezeichnet hatte, war ihm zutiefst zuwider.

    Gott sei Dank nahm sich schließlich Frau Inspektor Dichtl, die mehr von der psychologischen Schulung in Erinnerung behalten hatte, Erwin Seidls an, dessen Zustand sich zunehmend verschlechtert hatte und der deswegen in seinem Bett einvernommen wurde. Bollek durfte sich mit seinem ständigen Reibebaum Leopold W. Hofer auseinandersetzen.
    »Schon wieder Sie?«, fuhr er Leopold an. »Was zum Teufel suchen Sie hier?«
    »Ich habe die Leiche gefunden«, entgegnete Leopold trocken.
    »Ist das nicht reichlich verdächtig? Überall, wo es eine Leiche gibt, sind Sie der Erste am Tatort. Wollen Sie uns etwa weismachen, dass das alles Zufall ist?«
    »Ich kann’s mir ja nicht aussuchen, wem ich über den Weg laufe und ob diese Person gerade noch lebt oder nicht.«
    »Nein, können Sie nicht. Aber überall herumschnüffeln und dabei wichtige Spuren verwischen, das können Sie, was?« Bolleks Gesicht nahm wieder jene gefährliche rötliche Färbung an, die zeigte, dass ein Wutausbruch knapp bevorstand, wenn er sich nicht zusammennahm, und dass er mit seinem Blutdruck Probleme hatte.
    Leopold zuckte die Achseln. »Ich habe Herrn Seidl nur vom Kaffeehaus nach Hause gebracht. Dabei habe ich den Gasgeruch wahrgenommen, der aus seiner Wohnung kam. Wir wussten nicht, ob sein Sohn zu Hause war. Hätte ich sagen sollen: ›Rufen wir die Polizei an, und warten wir einstweilen hier heraußen, bis sie kommt‹?«
    »Davon ist keine Rede. Aber ich kenne Sie. Sicher haben Sie die Gelegenheit ausgenützt, die halbe Wohnung umzudrehen, nur um dann Ihrem Freund« – der unglücklicherweise auch Bolleks Chef war – »ein paar nette Geschichten erzählen zu können.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Passen Sie auf, Sie kommen schon noch in meine Gasse. Sie haben Glück, dass der Fall hier so eindeutig liegt. Ich möchte darauf wetten, dass es sich um Selbstmord handelt.«
    »Ach so?«
    »Ich werde Ihnen das einmal erklären, Herr Klugscheißer: Der Tote zählte zu unserem engeren Verdächtigenkreis im Fall Fellner. Fellner hat ihn vor anderen Leuten lächerlich gemacht und um eine Anstellung bei der Post gebracht. Beide, er und sein Vater, waren Opfer von Fellners sadistischen Neigungen. Für die Tatzeit hat der Tote kein eindeutiges Alibi, ziemlich sicher hat er das Lokal, das er uns genannt hat – ›Jimmy’s‹ oder so –, früher als angegeben verlassen. Ich habe ihn heute noch einmal befragt, da hat er nur zusammenhangloses Zeug geredet. Dann hat er offenbar die Nerven verloren und Selbstmord begangen.«
    Bollek war, wie gesagt, Spezialist für einfache Lösungen. Er konnte sie sozusagen im Minutentakt produzieren.
    »Jetzt müssen Sie mir aber schon helfen, Herr Inspektor«, konnte Leopold sich nicht verkneifen zu sagen. »Zuerst haben Sie bei Fellner von einem Unfall gesprochen, dann auf einmal war Sykora der Mörder, jetzt soll es Eduard Seidl gewesen sein. Wer war es denn wirklich? Könnte es nicht sein, dass Sie wieder einmal einem kleinen Irrtum aufgesessen sind?«
    »Ich glaube, Sie sollten jetzt schleunigst von hier verschwinden«, zischte Bollek. »Sofern wir auf Ihre Aussage Wert legen, werden wir Sie aufs Kommissariat bemühen.«
    »Ich glaube, Sie sollten ein bisschen genauer nachdenken. Sie liegen mit Ihren

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