Karibik all inclusive: Ein Mira-Valensky-Krimi
Ahnung. So etwas hat mich bisher nicht rasend interessiert. Aber warte: Nein, ich glaube nicht, dass das üblich ist. Wann immer im Lokalfernsehen über einen Kriminalfall berichtet worden ist, stand entweder Bradley allein vor der Kamera oder Bradley gemeinsam mit dem Polizeichef.“
„Diesmal ist der Polizeichef allein aufgetreten.“
„Vielleicht glaubt Bradley nicht daran, dass es Big Tin war.“
Ich sehe Thomas an. „Glaubst du es?“
Er zuckt mit den Schultern. „Hast du eine bessere Idee? Außerdem: Wir wissen, dass er wütend auf sie war, er hat sie niedergeschlagen.“
Als wolle er Big Tin treffen, stößt Thomas mit einem Messer in einen knusprigen Hühnerteil und nimmt ihn vom Grill.
„Der ist aber noch nicht durch“, warne ich ihn.
„Soll er auch nicht sein, die Hühnerteile müssen nur gut angegrillt werden, wegen des Aromas. Dann kommen sie in unsere Caribbean Sauce und müssen so lange kochen, bis das Fleisch fast von den Knochen fällt.“ Er sieht das aufgespießte Huhn an. „Das mit dem Messer – es scheint mir nicht zu Big Tin zu passen. Das ist keiner, der sich ein Messer aus der Küche holt. Er hat Waffen genug, braucht nicht einmal welche, er hätte sie mit bloßen Händen …“ Thomas schüttelt sich und legt die Hühnerkeule in die blubbernde rote Sauce.
„Mir kommt vor, dass Coconut Joe etwas über die Drogensache weiß.“
Thomas sieht mich genervt an. „Ich muss Liegestühle aufstellen, höchste Zeit. Meine Güte, Coconut Joe. Der ist doch nicht ganz dicht. Dem hat das Marihuana das letzte bisschen Verstand weggeblasen. Natürlich weiß er etwas über Drogen, er weiß, wo man sie kaufen kann.“
„Zum Beispiel bei Mick.“
„Ja, das dürfte so gewesen sein.“
„Coconut Joe hat gesagt, die Drogen kommen per Schiff, ja, ja, ich weiß: Das ist relativ klar, es ist der einfachste Weg. Er hat gesagt, dass er sogar einmal welche am Strand gefunden hat.“
„Man darf nicht genau hinhören, was er sagt. Vielleicht haben sie das blödsinnige Gerücht von ihm. Obwohl: Freiwillig würde der nie mit den Cops reden.“
„Die Typen von der Wachmannschaft könnten etwas wissen. Sie sind verunsichert, weil ihr Anführer hinter Gittern ist. Vielleicht plaudert einer“, überlege ich.
„Oder er schlägt dich nieder. Oder – mehr noch“, erwidert Thomas streng.
„Gibt es eine Chance, mit Big Tin zu reden?“
Thomas schüttelt den Kopf. „Der sitzt in Haft. Du bist weder verwandt noch sein Anwalt.“
Warum blockt Thomas gar so ab? Ist doch etwas dran an den Vorwürfen gegen die Bar? Aber Mom Rosemary – das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
„Vorausgesetzt, Big Tin war es doch nicht – er hätte größtes Interesse, sich zu entlasten.“
„Das hat er auch der Polizei gegenüber. Außerdem wird er es schon gewesen sein.“
„Der Polizeichef ist froh, dass er einen Täter hat. Er wird ihm nicht zuhören.“
„Aber Bradley.“
„Aber Bradley muss die richtigen Fragen stellen. Wir kennen den Fall aus einem anderen Blickwinkel.“
„Bitte Mira, vergiss es“, sagt Thomas genervt. „Sei froh, dass du entlastet bist, und genieße die letzten Tage deines Urlaubs. Unsere Insel kann auch sehr schön sein.“
Ich sehe ihm in die Augen. „Ich weiß.“
Wenig später hole ich Bramaton von der Straßenkreuzung ab, gemeinsam mit den ersten Taxis voller Touristen vom Kreuzfahrtschiff komme ich wieder bei der Bar an. Ab da haben wir keine Zeit mehr nachzudenken. Und Bramaton, das kann man wirklich sagen, ist fleißig.
Vesna gibt mir Recht: Man sollte mit Big Tin reden. Hat er la Croix bloß geschlagen oder hat er sie erstochen? Und: Wie hängt das alles mit dem Mord an Mick zusammen? Wenn Bradley gestern Abend Beamte zum Glorious Sunset geschickt hat, dann ist auch für ihn der Fall noch nicht geklärt.
Da wir aber an Big Tin nicht rankommen, bleibt uns nur mehr die zweitbeste Möglichkeit: Wir fragen seine Freunde von der Wachmannschaft.
„Wenn wir im Orange mit ihnen reden, sind Leute genug da. Da können sie nicht prügeln“, überlegt Vesna.
Hoffentlich. Mir ist beim Gedanken, die Schläger noch einmal zu treffen, nicht besonders wohl zumute. Wenn sie wissen, dass ich es war, die Bramaton …
„Es wird Zeit, wir klären ein paar Dinge“, ermuntert sie mich.
„Wie geht es eigentlich deinem Arm?“
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. „War nur eine Prellung, wie ich gesagt habe.“
Mein Kopf dröhnt immer noch, vor allem in der
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