Karlas Umweg: Roman (German Edition)
»Und wenn du dir ne Feder an Aasch stecks und splitternackt durchs Zimma läufst«, sagte Matthäus. »Hasse keine Schanx. Brauchse dir nix einbildn.«
»Warum nicht, Matthäus?«, heulte ich und nahm mein Gesicht aus der muffigen Lederjacke, um nicht zu ersticken.
»Ganz einfach«, sagte Matthäus. »Weilde nich Marie biss. Müsse einfach begreifen. Un nich versuchen, auch so ne Marie zu sein. Bisse nich, wirße nich, also vergisset.« Damit zog er sich eine weitere Bierflasche aus der Speckjacke und entkorkte sie mit den Zähnen. »Komm getz da rein«, sagte er aufmunternd, »un zieh dir ‘n Blüsken an, sonz erkälteste dir.«
Ich ging nach oben, um mir das Gesicht zu waschen und mich umzuziehen. Als ich wieder runterkam, stand Matthäus schon wieder im Flur.
»Wat sind dat allet für Waldheinis? Is ja kein einziges Gerät bei!«
Mit Gerät meint Matthäus Frau. Ich sagte, dass Frauen auf der Fete nur gestört hätten.
»Wenn die alle rumgeheult hätten, nur weil se nich so schön sind wie Marie, dann hätten se gestört«, sagte Matthäus. Dann gingen wir rauf in meine Mansarde.
»Hassen Bier da?«
»Klar.«
In der Hoffnung, hier einmal Willem bewirten zu können, hatte ich ein Bier da. Und die Sportzeitung, die Willem immer liest. Ich hatte sie extra oben auf den Wohnzimmertisch gelegt. Außerdem hatte ich Salzgebäck bereitgestellt und zwei Steaks im Kühlschrank.
Die vertilgte nun Matthäus, griff danach mit der freien Hand, die nicht das Sportmagazin hielt, in den Salzgebäcktopf, bis er leer war, trank noch drei Flaschen Bier und schlief dann laut schnarchend auf meinem Sofa ein. Da war es lange nach Mitternacht. Ich räumte auf, leerte den Aschenbecher mit den zwanzig krümeligen selbst gedrehten Kippen aus, spülte, zog mich um und schminkte mich ab. Als ich gerade ins Bett gehen wollte, überkam mich die Neugier, wer wohl alles noch unten wäre. Ich ging also nachgucken. Im Wohnzimmer saß Echtwein am Flügel und improvisierte selbstvergessen vor sich hin. Dazu tanzte Marie mit dem blatternarbigen Sterz Wange an Wange, wobei sie allerdings auf dem kleinen Beistelltisch stehen musste, auf dem sonst immer die Sherryflaschen stehen. Beide rauchten; er kaute an einer Zigarre und sie an einem langen dekadenten Mundstück. Auf dem Sofa saß Ludger, fraß Salzstangen und erklärte Robert dem Jäger seine Pocketkamera. Am Buffet stand Zurlinde und vertilgte zusammen mit dem undurchschaubaren James die Reste. Sie waren alle noch da! Ich zog leise die Tür wieder hinter mir zu, hörte jedoch noch die Stimme von Dr. Holzapfel sagen: »Marie, die Haushälterin war gerade da!«
Und Marie sagte: »Soll ins Bett gehen, kann morgen aufräumen.«
Da klappte die Haustür. Willem!
»Hallo, so spät noch auf?« Er legte seinen Autoschlüssel auf das kleine Bord in der Halle und zog sich die Jacke aus.
»Na ja, ich habe mich gefragt, wo du so lange bleibst …«
»Wieso, ich war doch nicht eingeladen!«
»Aber es ist dein Haus …«
»Marie hat gesagt, es sei eine Single-Party. Oder war etwa dein Partner dabei?«
»Nein.«
»Und?« Willem schaute mich so merkwürdig an. »Da ich da drinnen nicht willkommen bin, gehen wir noch auf ein Bier zu dir rauf?«
Mein Herz hämmerte. Es nahm Formen an! Die Sache hatte nur einen Haken. Matthäus.
»Das geht leider nicht, Willem, ich habe … Besuch.«
Willems Augen flackerten für den Bruchteil einer Sekunde. »Macht nichts«, sagte er dann und straffte die Schultern. »Weißt du was? Ich schlafe heute Nacht bei meinem Sohn.«
Und damit verschwand er im Kinderzimmer.
Gestern musste ich mit Frau Perl die Bude aufräumen. Als wir die Gläser spülten und die wenigen Reste einfroren, sagte Frau Perl, dass es eine sehr ungewöhnliche Feier gewesen sei. »Gar keine Frauen waren dabei, nur das Dienstpersonal.«
Ich lächelte schmallippig und pflückte die welken Orangenscheiben von den matschigen Poulardenbrüstchen.
»Jaja«, seufzte Frau Perl, »der ihr Gatte hat es auch nicht immer einfach.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, gut, dass Sie jetzt da sind«, sagte Frau Perl. »Sie glätten immer die Wogen.«
Ich ließ die Poulardenbrüstchen in Ruhe und schaute sie erwartungsvoll an.
»Seit Sie da sind, fliegen hier nicht mehr die Fetzen«, erklärte Frau Perl. »Sie hätten Marie mal früher erleben müssen! Und auch den Herrn von Otten! Wie sie sich angeschrien haben! Aufeinander losgegangen sind sie! Mit dem Telefonhörer hat die gnädige Frau ihren Mann
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