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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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wirklich nicht wiederholen.«
    »So richtig ordinäre Wörter?«
    Frau Perl nickte und schniefte.
    Ich wartete noch ein bisschen darauf, dass Frau Perl die ordinären Wörter von sich geben würde, aber sie schwieg und putzte sich mit dem Küchenhandtuch die Brille. »Kurz nach ihrem Singexamen sagte die Marie, sie hätte jetzt das passende Kindermädchen gefunden. Eines, das tut, was man ihr sagt, und das keinen Ärger macht und bedingungslos zur Verfügung steht, Tag und Nacht, und kosten würde es auch nichts.«
    »Und wo ist dieses trottelige Kindermädchen, bitteschön? Warum kann ich nicht endlich Klavier studieren, mit meinem Hochbegabten-Stipendium, hä?«
    Frau Perl lächelte mich warmherzig an. »Seit Sie da sind, gibt es keinen Streit mehr. Der Herr Willem ist viel ruhiger geworden, und die Frau Marie auch. Und der kleine Maximilian hat Sie auch so gern. Wir haben Sie alle so gern.«
    Damit beendete sie das Gespräch, indem sie mit den Poulardenbrüstchen und dem übrigen Zeug in der Vorratskammer verschwand. Drinnen putzte sie sich geräuschvoll die Nase.
    Ich machte mich ans Gläserspülen und dachte nach. Eigentlich wollte ich ja von Bad Orks weggehen, um meine wahre Identität zu finden und an meinem musikalischen Talent zu arbeiten.
    Ich bin doch zum Lakai für alle geworden! Für Willem zum Diplomaten, Anstandswauwau, Tennislehrer, Privatdetektiv und Steakbrater. Für Maximilian zum Lastenschlepper, Alleinunterhalter, Windelnwechsler und Brummkreiseldreher. Für Edwin zum persönlichen Sklaven, Umblätterer, seelischen Abfalleimer und Pseudo-Schüler. Für Frau Perl und Frau Krotoschyin zur billigen Vertretung. Und für Marie schlechthin zum Schatten ihrer selbst.

Matthäus erzählte beim Lesen des neuesten »Playboy« und gleichzeitigem Verzehr von Kartoffelchips, dass er quasi auf der Straße sitzt, weil er kein Bafög mehr bekommt. In der Hochschule ist er rausgeflogen, weil er keinen Lehrer für das Hauptfach mehr nachweisen konnte. Er jobbt jetzt in Kreuzbergs alternativen Kneipen herum und spielt ab und zu was Fetziges auf dem Klavier, wenn er besoffen genug ist, und sein Publikum auch, aber davon kann er sich gerade mal die Jugendherberge leisten, in der er zurzeit lebt. Trotzdem geht es ihm nicht schlecht, sagte er. Seine Freiheit sei ihm lieber als die totale Abhängigkeit. Dabei lugte er hinter der Zeitung hervor und bedachte mich mit einem zweideutigen Blick. Ich rechtfertigte mich gleich, dass ich aus freien Stücken hier lebe und aus purer Freundschaft, und dass mir kein Zacken aus der Krone fiele, wenn ich den ein oder anderen Handgriff im Haushalt täte. So haben Papa und Mama es mir beigebracht, so was steht einem jungen Mädchen gut an. Ich habe mich auch damit gebrüstet, dass ich hier keinen Pfennig Miete bezahle für meine kleine Luxuswohnung mit Kabelanschluss. Und dass ich in einer luxuriösen Villa lebe, und im Sommer den Swimming-Pool mit benutzen darf, wenn ich auf Maximilian aufpasse. Und dass ich hier wahnsinnig viel Musik höre, und dass man auch beim Zuhören viel lernt. Und dass ich hier in ganz tolle Kreise gekommen bin, in denen man vielleicht auch mal einen Mann kennenlernt. Matthäus hat nichts mehr gesagt und den »Playboy« wieder zwischen uns gehalten. Ich hätte nicht gedacht, dass er ein so schlechter Verlierer ist.
    Der Wettbewerb hat begonnen. Es waren hauptsächlich singende Hausfrauen dabei, die anscheinend alle unter dem seelischen Zwang leiden, sich vor aller Öffentlichkeit lächerlich machen zu müssen. Das steht vielleicht bei denen im Horoskop: »Pluto steht im Merkur. Gehen Sie deshalb heute nicht ans Bügelbrett, gehen Sie lieber auf die Bühne und machen Sie sich lächerlich.«
    Tatsächlich wird einem hier Unvorstellbares geboten, mit kaum zu überbietender Grausamkeit. Ich guckte oft schmerzverzerrt zu Marie hinüber, um ihr mein musikalisches Empfinden und mein sensibles Gehör zu demonstrieren, aber sie war ausschließlich damit beschäftigt, sich auf die Unterlippe zu beißen und dabei mit Zurlinde zu flirten. Unter dem Tisch drückte ihr der Herr Vorsitzende schon mal väterlich mahnend das Knie. Meistens vergaß er, die Hand wieder wegzunehmen, was den Herrn Begleiter am Klavier des Öfteren zu einem furioso con aggressione infernale hinriss. Echtwein hätte sich wirklich etwas mehr Mühe geben können mit seinen Sängern. Schließlich verdient er hier richtig viel Kohle. Aus lauter Faulheit hat er mich beauftragt, den Sängern beim

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