Karlo und der grüne Drache - Kriminalroman
Hauptkommissar.“
Als Gehring sich umdrehen wollte, blieb er mit dem Blick am Schrank hängen. Er sah die kleine Öffnung an der Seitenwand. Was war denn das? Argwöhnisch öffnete er den Schrank.
„Jetzt schauen Sie sich das an, Reichard. Das sieht gerade so aus, als hätten die ihre Kunden heimlich gefilmt!“
Er pfiff leise durch die Zähne.
Reichard stand mit offenem Mund neben Georg Gehring und schaute auf die kleine Kamera, die hinter dem Loch installiert war.
„Erpressung, Chef?“
„Das müssen wir herausfinden. Möglich wärs.“
–
Zwischenzeitlich war auch Karlos Wohnung geöffnet worden und Georg Gehring hatte dessen neues Zuhause betre- ten. Er konnte nicht so recht glauben, was er sah. Vier Zimmer, die breiten Türen zu dem großzügigen Balkon, eine nicht billige Einrichtung – das sah so gar nicht nach Karlo Kölner aus. Vielleicht lagen Hund und Haffmann doch richtig mit ihrer Vermutung. Gehring schaute aus einer der Balkontüren zum Main. Durch die Bäume sah er einen Kohlefrachter vorbeifahren.
Er öffnete die Tür, und der sonore Klang des voluminösen Dieselmotors drang ihm ans Ohr. Mit einem großen Schritt trat er auf den Balkon und schaute sich nach allen Seiten um. Ein Liegestuhl lehnte zusammengeklappt am Geländer. Er drehte den Kopf ein wenig und sah einen Pappkarton, der dem Liegestuhl gegenüber an der Hauswand stand.
Nach drei Schritten hockte er sich vor den Karton. Eine graue Mülltüte hing zusammengeknüllt über den Rand. Gehring zog die Mülltüte aus dem Karton und schaute hinein. Er konnte einige Zeitschriften sehen, die den Karton bis zur Hälfte füllten.
Auf den Zeitungen lag eine etwa dreißig Zentimeter hohe Drachenfigur aus Metall. Die Figur schien aus Messing zu sein. Ihre Oberfläche zeigte bereits deutlich eine grünliche Patina.
Noch viel deutlicher allerdings erkannte der Hauptkommissar das eingetrocknete Blut am oberen Ende der Skulptur.
Dienstag, 13. Oktober
9
„Wir haben absolut nichts über die Tote, keinerlei Hinweise. Wir sollten ein Bild in der Zeitung veröffentlichen. Vielleicht kennt jemand die Dame.“
Kommissar Reichard lehnte an der Fensterbank in Gehrings Büro und schaute seinen Chef an.
„Das Haus wird von einer Fuldaer Immobiliengesellschaft verwaltet, angeblich wissen die nichts von den, äh, besonderen Geschäften, die in der Tatwohnung betrieben wurden.“
„Und die Wohnung war direkt von der Gesellschaft an die Frau vermietet?“
In Gehrings Frage schwangen berechtigte Zweifel mit.
„Nein, nein, das nicht. Gemietet hat die Wohnung ein gewisser …“, Reichard schaute in seinen blauen Hefter, den er die ganze Zeit schon aufgeschlagen in der Hand hielt, „… ein gewisser Josef Wegener. Den wiederum kennen wir ganz gut. Autoschiebereien, Zuhälterei und eine Menge anderer Kleinkram. Zuletzt war er in Hamburg bei uns zu Gast. Vor einem Jahr wurde er entlassen. Seitdem ist er nicht mehr aktenkundig geworden.“
Reichard hatte sich von der Fensterbank gelöst und stand nun vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten.
„Übrigens ist die Wohnung, in der Kölner wohnt, ebenfalls von Wegener gemietet. Das gibt für unseren alten Freund kein besonders gutes Bild ab. Diesmal hat er wirklich Probleme.“
Der Hauptkommissar schüttelte resigniert den Kopf.
„Sieht fast so aus. Wir müssen den Burschen unbedingt finden. Die Fahndung läuft bereits, hoffe ich. Und was ist mit Wegener?“
„Der hat mittlerweile seinen Wohnsitz in Fulda. Auf die dortige Adresse ist übrigens ein Fahrzeug zugelassen, ein Hummer, so ein prolliger Angeberschlitten.“
„Da schau mal einer an. Und weiter?“
„Ja, auf der Drachenfigur, da waren Josef Wegeners Fingerabdrücke.“
Reichard machte eine kleine Pause und schaute seinen Chef bedeutungsschwanger an.
„Ja, und?“, drängte dieser, „Sie haben doch noch was. Reden Sie schon, Reichard!“
„Na, die Spurensicherung hat auch die Abdrücke von Kölner sichergestellt. Ebenfalls auf der Figur. Und das Blut an diesem Drachen stammt von der Toten. Also haben wir schon mal die Tatwaffe, wie es aussieht.“
Gehring kratzte sich am Kopf.
„Dann haben wir jetzt zwei Tatverdächtige, wenn ich richtig mitgezählt habe.“
„Na gut, aber vergessen Sie nicht: Immerhin haben wir die Figur auf Kölners Balkon gefunden.“
Der Hauptkommissar war aufgestanden und langsam zum Fenster gegangen. Er hatte Reichard den Rücken zugedreht, als er antwortete.
„Das schon, aber wie kommt die dorthin?
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