Karma-Attacke (German Edition)
Wir wollen uns die karmische Verstrickung anschauen, die du von Thara mit auf die Erde genommen hast. Wer ist Toi, und was ereignete sich damals in den Schneebergen? Alles, was heute geschieht, ist die Wiederholung eines alten Spiels. Aber wir können es verändern. Wir können aus der Vergangenheit lernen. Wir können es diesmal zu einem anderen Ende bringen.»
Tom bekam Gänsehaut. Zwischen den Zehen juckte es, und in seinen Ohrmuscheln schienen Ameisen herumzukrabbeln. Trotzdem blieb er reglos.
«Fünf. Du gehst nun langsam die Treppe hinab. Dabei entspannst du tiefer und tiefer. Vier. Das Leben von Uta wartet auf dich. Fürchte nichts. Josch ist bei dir. Drei. Geh langsam weiter nach unten. Geh furchtlos, ohne Eile. Dabei entspannst du tiefer und tiefer. Zwei. Gleich hast du es geschafft. Vor dir liegen all deine Inkarnationen. Alles, was du jemals erlebt hast, alles, was jemals mit dir geschehen ist, steht dir nun als Wissen zur Verfügung. Nichts ist verloren. Nichts ist vergessen.»
Tom wollte sich Luft zufächeln, er wusste aber nicht, ob er es wirklich tat oder sich nur vorstellte, es zu tun. Jedenfalls spürte er eine sanfte Bewegung vor dem Gesicht.
«Atme tief aus, bevor du eintrittst ins Licht. Du brauchst nichts mitzunehmen. Dort gibt es alles, was du brauchst. Du bekommst im anderen Leben so viel Luft, wie du nötig hast.»
Tom atmete aus, bis er völlig leer war. Er verspürte einen Hustenreiz und schluckte trocken. Trotzdem gab er sich Mühe, noch weiter auszuatmen, obwohl es fast wehtat und sein Magen sich aufblähte, um auch den letzten Rest Luft aus den Lungen zu pressen. Sein Verstand wollte sich mit einer Frage einmischen. Er begriff nicht, warum Tom so sehr mitging, doch der innere Zwang, zu tun, was die Stimme sagte, war viel zu groß.
Tom fühlte sich der Ohnmacht nahe, als der Professor endlich die erlösenden Worte sprach: «Ja, so ist es gut. Nun saug langsam neuen Sauerstoff ein. Jetzt, da du richtig leer bist, kannst du auch wieder genügend aufnehmen. Merkst du, wie viel Platz in deinen Lungen ist? Man muss leer werden, um wieder voll werden zu können.»
Scharf zog Tom die Luft ein. Das Kratzen im Hals wurde stärker.
«Eins. Tritt nun ein in dein Lebenslicht.»
Tom hatte das Gefühl, mit Anlauf vom Dreimeterturm in ein kühles Becken zu hechten. Luftblasen stiegen über seiner rasanten Tauchfahrt auf. Allmählich wurde er langsamer, und dann trieb er fast schwerelos unter der Wasseroberfläche.
«Nun bist du ganz in deinem Licht. Schau dich ruhig um.»
Augenblicklich begann Tom zu frieren. Doch es war nicht das Wasser des imaginären Schwimmbeckens, das ihn abkühlte.
«Schau nach unten. Was siehst du? Wie sind deine Füße? Bist du barfuß?»
Tom sah seine Füße ganz genau. Sie waren mit Leder und Fell umwickelt. Dicke Eis- und Schneeklumpen klebten daran.
«Schau deine Hände an.»
Seine Hände waren klammgefroren. Bläulich schwarz. Es sah aus, als würden der kleine Finger und der Mittelfinger der linken Hand bereits absterben. Die Fingernägel waren schwarz, die Handgelenke waren mit einem Fell umwickelt, wie Tom es noch nie gesehen hatte. Im ersten Moment erschien es ihm künstlich, doch dann spürte er es auf der Haut und er wusste sofort, dass es einmal einem sehr großen, sehr gefährlichen Tier gehört hatte. Das Wort Ata drängte sich in sein Bewusstsein.
Er rieb sich die Arme, so sehr fror er. Sein Atem schien in der Luft zu gefrieren. Eine weiße Fahne flatterte vor seinem Mund, kalte, sauerstoffarme Luft schmerzte in der Lunge.
«Sag mir, wo du bist.»
Tom wusste, dass es Viviens Stimme war, aber sie klang nicht wie Vivien: «In den Schneebergen.» Dann erstarb ihre Stimme. Sie hechelte.
Tom versuchte, seine Hände unter dem Fell zu wärmen. Er schob sie in die Achselhöhlen. Dabei fühlte er die enorme Behaarung dort. Und dann hörte er wieder diesen Ton. Kein Brustkorb bot dafür genügend Resonanzraum. Kein Mensch und kein Tom bekanntes Tier konnte einen solchen Laut ausstoßen. Es war, als käme er geradewegs aus der Hölle wie ein Vulkanausbruch auf die Erde. Selbst die Kälte wurde für einen Augenblick unwirklich. Es folgte absolute Stille. Nicht einmal der Schnee knatschte unter seinem Schritt.
Seine rechte Hand löste sich aus der wärmenden Achselhöhle, suchte im Fell nach dem Dolch und legte sich um den kalten Griff. Damit konnte man gegen Congas kämpfen. Congas? Was waren Congas? Aber es hätte nicht einmal ausgereicht, um einem Ata
Weitere Kostenlose Bücher