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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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mich dann nicht raus?»
    «Es geht nicht. Hast du denn keine Ahnung, was passiert ist? In der Nacht haben sie bei euch einen umgebracht.»
    Seine Stimme vibrierte wie bei einem Fieberkranken. Vivien wusste genau, wie Leute redeten, wenn ihre Temperatur lange über vierzig Grad lag.
    «Na und? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?»
    Seine Stimme zitterte noch mehr. Vivien war sich nicht sicher, ob er überhaupt allein mit ihr telefonierte. War da jemand bei ihm? Wurde er genauso beobachtet und abgehört wie sie? Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. In freier Wildbahn ging so etwas nicht. Darum wollte sie ja so gerne hier raus.
    «Was das damit zu tun hat?», schrie er. «Fragst du mich das jetzt wirklich? Julias Mutter glaubt, dass der Typ, der ihr den Schlüssel geklaut hat, auch der Mörder ist! Wenn ich mit dem nachgemachten Schlüssel erwischt werde, dann …»
    Er kam Vivien so klein und feige vor. Sie hatte viele Liebesfilme im Fernsehen gesehen. Sie glaubte, dass junge Männer erpicht darauf waren, ihr Leben für ein Mädchen zu riskieren. Sie hatte noch nicht viele Möglichkeiten gehabt, ihre Fernseherfahrungen mit der Realität zu vergleichen, aber sie ahnte die Wahrheit. Sie sagte es trotzdem, so sachlich wie möglich: «Du holst mich nicht, weil ich nicht mit dir geschlafen hab.»
    «Nein, das ist nicht wahr!», empörte er sich. «Ich habe überhaupt nicht daran gedacht.»
    Jetzt kam der vorwurfsvolle Ton in ihre Stimme, den sie so gern vermieden hätte. «Gar nicht daran gedacht? Du hast doch sofort an mir herumgefummelt. Du bist sauer, weil ich dir abgehauen bin, stimmt’s? Deshalb lässt du mich jetzt hier drin sitzen. O Mann, das ist so gemein von dir! Das ist richtige Erpressung. Was willst du? Soll ich dir jetzt versprechen, dass ich bei dir übernachte? Holst du mich dann raus?»
    Tom atmete schwer. «Versteh doch, es ist einfach nur zu riskant!»
    Sofort schwenkte Vivien um. Der Gedanke, der ihr jetzt kam, war wesentlich schmerzhafter: «Es ist wegen Julia. Du hast doch nicht mit ihr Schluss gemacht, du Arsch! Du gehst mit ihr am Samstagabend ins Gamma! Ihr wollt mich nicht dabeihaben! Sie hat dich wieder rumgekriegt!»
    «Nein!»
    Etwas an seinem Nein klang überzeugend. Der Speichel zwischen Viviens Lippen zog Fäden.
    «Entschuldige. Ich hab das nicht so gemeint. Ich war so lange nicht draußen. Ich hatte noch nie einen richtigen Freund. Ich hab Schiss gekriegt, als du mich so angefasst hast. Deshalb bin ich weggelaufen. Nicht, weil ich dich nicht leiden kann.»
    «Vivien! Hör mir jetzt gut zu. Die dürfen nie rauskriegen, dass ich den Schlüssel hatte.»
    «Ich will ihn aber haben!»
    «Und wie soll ich das machen? Ihn dir einfach übern Zaun werfen?»
    «Du kommst rein und holst mich raus, wie beim letzten Mal. Dann gibst du mir den Schlüssel und fertig.»
    «Keine zehn Pferde kriegen mich da mehr rein.»
    «Ach ja? Wie schön für dich. Du musst ja auch nicht mehr reinkommen. Aber ich sitze hier die ganze Zeit fest. Ist dir das eigentlich klar? Für mich gibt es keine Pause. Ich will den Schlüssel haben, verstehst du? Ich will keine Gefangene mehr sein! Weder die von Professor Ullrich noch die von dir! Ich will den Schlüssel. Ich will ihn!»
    Horst, der bullige Pfleger, fuhr den Wäschewagen vorwärts, ohne auf Vivien zu achten. Eins der Räder erwischte Viviens linken Fuß. Sie kreischte.

21
    Sechzehn Uhr. Zeit für die tägliche Rückführung. So bockig hatte Professor Ullrich Vivien noch nie erlebt. Sie saß im Nachthemd in ihrem Bett, ungewaschen und ungekämmt. Den linken Fuß mit dem Pflaster demonstrativ ausgestreckt auf der Bettdecke.
    Der Professor trug einen offenen weißen Kittel. Darunter ein verwaschenes kariertes Baumwollhemd und eine Jeans, die an den Knien ausgebeult war. Unten franste die Hose aus, weil er sie zu lang gekauft hatte. Mit der rechten Hand spielte er in der Kitteltasche mit Knetgummi.
    Professor Ullrich hielt sich nie lange mit Vorreden auf. «Was hat dich heute so wütend gemacht?»
    «Ich mach nicht mehr mit.» Vivien verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich um einen entschlossenen Blick.
    «So. Hat die Dame einen anderen Termin?»
    «Ja. Im Gamma.»
    «Das ist die Disco, oder?»
    Sie nickte.
    Um das Gespräch auf die Rückführung zu lenken, sagte Professor Ullrich mit gespieltem Bedauern: «Auf Thara gab es leider keine Discos.»
    «Das mit Thara stimmt nicht. Es gibt kein Thara. Ich habe dir das nur vorgeflunkert.»
    Der

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