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Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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mich ausprobieren.»
    Weil er keine Antwort wusste und jetzt nicht alles zerstören wollte, verließ Ullrich den Raum. Er trank draußen auf der Männertoilette Wasser vom laufenden Wasserhahn, schlürfte es aus den offenen Handflächen.
    Etwas an Viviens Vorschlag machte ihm Angst und etwas faszinierte ihn. Er könnte sie reinlegen. Wenn er sich innerlich nicht darauf einließ, könnte er ihr eine beliebige Geschichte erzählen und dann … Allerdings, wenn sie mitbekäme, dass er sie betrog, war es für alle Zeiten vorbei. Außerdem hatte er große Lücken. Er vertraute niemandem mehr. Auch nicht Frau Zablonski. Sie hatten sich ein paar Mal gegenseitig zurückgeführt. Sie war sehr gut, aber Erinnerungen an Leben auf anderen Planeten erklärte sie zu reinen Hirngespinsten. Sie hielt sich ausschließlich an historisch nachprüfbare Fakten.
    Professor Ullrich gab im Schwesternzimmer Bescheid, er wolle nicht gestört werden und sei für niemanden mehr zu sprechen. Dann begab er sich erneut zu Vivien.
    Sie hatte sich inzwischen umgezogen. Ein weißes Sweatshirt und eine schwarze Sporthose. Ihre Haare waren immer noch ungekämmt. Ein Wirbel links legte die gerötete Kopfhaut frei.
    Sie sah es ihm gleich an. «Du bist also einverstanden? Ich kann dich nach Thara zurückführen?»
    «Ja, ich bin bereit.»
    Der Professor legte sich auf Viviens unbezogenes Bett. Sie setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Sie hatte eine majestätische Haltung. Fühlte sich als Siegerin.
    Vivien schaute Professor Ullrich an. Sie wartete darauf, dass er mit dem Atmen begann, doch er tat nichts.
    «Was ist?», fragte sie. «Du kennst das Programm doch. Fang schon an.»
    Er schaute sie aus den Augenwinkeln an. «Ich hatte gehofft, Vivien, du würdest mich per Tiefenentspannung zurückführen oder durch Hypnose.»
    Sie wehrte ab. «Nein, nein, nein. Atme.»
    «Das ist mir unangenehm, Vivien. Mir ist in letzter Zeit manchmal schwindlig geworden. Ich glaube, ich habe Herz-Kreislauf-Probleme und…»
    «Ach, hör doch auf mit den Spielchen. Bei jeder anderen Methode könntest du mich betrügen und mir irgendwas erzählen. Nur das holotrope Atmen, das funktioniert immer. Wir wissen es doch beide.»
    Er leistete keinen Widerstand mehr und begann heftig mit der gebundenen Atmung.
    Sie ließ ihn viel länger atmen als nötig. Er war längst in einem Zustand, in dem Zeit und Raum keine Rolle mehr zu spielen schienen. Die ersten Bilder kamen schon, doch er atmete weiter. Dann sprach sie die Formel zu ihm, die er sooft zu ihr gesprochen hatte.
    Er sah sich tatsächlich die Treppe hinuntergehen und dann durch ein Tor ins Licht. Dahinter lag Thara …
    Längst hatte er jeden Widerstand aufgegeben und überließ sich den Bildern, die die Seele ihm zeigen wollte. Vielleicht würde nun endlich alles gut werden.
    «Wo befindest du dich?»
    «Ich weiß nicht. Ich kann noch nichts sehen.»
    «Ist es hell oder dunkel?»
    «Dunkel.»
    «Kannst du etwas hören?»
    Seine Aufmerksamkeit ging in die Ohren. Er nickte. «Ja, ja. Da ist so ein schlürfendes Geräusch. Wie aus tausend Strohhalmen.»
    «Das ist der Sprühwald», sagte Vivien. «Die Wurzeln saugen das Wasser auf.»
    «Ich weiß nicht. Jetzt sehe ich etwas. Da sind drei Sonnen am Himmel. Sie gehen nacheinander unter.»
    «Fühlst du was?»
    «Ja, ich glaube, ich habe Angst. Ich versuche, von hier wegzukommen. Ich will ins Grasland.»
    «Wer bist du?»
    Er hob den Kopf und ließ ihn wieder auf die Matratze fallen. Sie federte noch ein bisschen nach. Dann erst antwortete er: «Ich weiß es nicht.»
    «Beschreib dich. Wie siehst du aus?»
    «Ich weiß es nicht. Es ist so dunkel.»
    Vivien wurde ungeduldig. «Geh weiter. Geh weiter vor.»
    «Ja. Ja. Gerne.»
    «Wo bist du jetzt?»
    «Im Grasland. Das Schlürfen ist weg. Aber jetzt höre ich nicht mal mehr die Insekten. Es ist eine drückende Stille. Eine hörbare Stille.»
    Vivien kannte das. Sie zog die Füße auf den Stuhl und setzte sich auf die Lehne. Sie rieb mit den Händen ihre Oberarme, um sich zu wärmen. Dann, als das keine Wirkung hatte, hob sie das Laken vom Boden auf und hüllte sich darin ein.
    «Es ist ein Schweigen, das die Herzen lähmt. Niemand wagt ein Geräusch zu machen. Nicht einmal die Krabbelkäfer.»
    «Woher kommt das? Kannst du etwas sehen?»
    «Diese Stille ist so bedrohlich, dass niemand wagt, sie zu unterbrechen. Ich auch nicht. Ich bewege mich nicht. Ich will nicht mal einen Grashalm umknicken.»
    «Das kann doch nicht ewig dauern.

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