Karma-Attacke (German Edition)
geglaubt, die Klinik über Sabrina Schumann voll im Griff zu haben. Allein der Geruch in dem neuen Verwaltungsgebäude sagte ihm, dass das nicht mehr stimmte. Ich befinde mich zu sehr in der Vergangenheit, dachte er. Man kann nicht die Vergangenheit durchforschen, dazu noch auf anderen Planeten, und gleichzeitig in der Gegenwart fulltime mitspielen.
Der Realist in ihm sagte: Das ist jetzt die Quittung. Bis jetzt hast du die Umbauarbeiten nur zur Kenntnis genommen, wenn dich der Baulärm bei den Rückführungen gestört hat. Aber wenn du dich jetzt nicht einmischst und dich gegen diese Entwicklungen stemmst, wirst du bald ihr Opfer sein. Du musst dir jetzt Zeit für die neue Geschäftsführerin nehmen.
Sein Thara-Ich hatte für diese Realität nur Spott übrig. Wer von Thara kam, wusste, was Kampf und Bedrohung wirklich bedeuteten. Dies hier war dagegen nur Kinderkram. Die Welt, in der er sich bewegte, kam ihm unwirklich vor, wenn er Kontakt zu seinem Thara-Ich hatte. Diese Klinik, dieses lächerliche Jahrhundert der Unwissenheit - ob das alles blieb oder verschwand, spielte dann für ihn keine Rolle. Wichtig war Thara. Wichtig war, dass wir Seelen waren, die immer wieder- und wiedergeboren wurden. Wenn dieser Neubau ihn störte, würde er ihn eben niederreißen. Er musste es nicht mal selber tun. Es gab Elemente, die so etwas für ihn erledigten. Das Feuer zum Beispiel.
Er hatte seine innere Sicherheit zurückgewonnen, als er das neue Büro von Katrin Reb betrat. Die Stimmung dort war aufgeladen mit böser Energie. Am liebsten hätte er gelüftet.
Dr.Sabrina Schumann stand blass in der Ecke. Sie versuchte erst gar nicht, die Moderatorenrolle zu übernehmen, mit der sie ihm sooft aus der Klemme geholfen hatte.
Kommissar Ackers sah übernächtigt aus. Tiefe Ränder unter den Augen. Über den Wangenknochen spannte sich die Haut. Er war dünnhäutig geworden. Professor Ullrich merkte es sofort. Ackers wollte aber auf keinen Fall, dass das jemand merkte. Deswegen gab er den besonders Harten und Kaltschnäuzigen. Er versuchte ein bisschen zu sein wie Wust, doch dabei wirkte er nur arrogant.
Die anderen merkten nicht, woher seine Erschütterung kam. Sie glaubten, dass er nach durchsoffener Nacht einen Kater hatte. Sein scharfes Rasierwasser trug zu diesem Eindruck bei.
Nur Katrin Reb schien sich wohl zu fühlen. Sie war sich keiner Schuld bewusst. Sie hatte gerade erst diesen Job angenommen, und schon merkte sie, wie wichtig sie war. Offensichtlich war ihr Eingreifen gefragt. Man brauchte sie. Hier waren Dinge sträflich lange vernachlässigt worden. Sie würde nichts schleifen lassen. Sie wusste, dass Probleme, die man nicht anfasste, nur noch größer wurden. In ihrem vorherigen Job hatte man sie einen Troubleshooter genannt. Dieser Ausdruck gefiel ihr. So fühlte sie sich wohl. Als Krisenmanagerin, die Entscheidungen zu fällen hatte, Aufgaben delegierte und Leute dazu brachte, ihre Pflicht zu tun.
Sie würde denen hier jetzt zeigen, wo es langging. Sie würde keine Führungsschwäche zeigen. Die meisten Fehler in so großen Institutionen waren für sie auf Leitungsfehler zurückzuführen. Sie hatte bisher keine Leitungsfehler machen können. Sie war neu. Diese Tatsache war ihr besonders Kommissar Ackers gegenüber sehr wichtig.
Noch bevor Ackers etwas sagen konnte, nahm Katrin Reb die Gesprächsführung an sich. Sie hatte gelernt, dass dies der erste wichtige Punkt war. Wenn jetzt alle in Smalltalk verfielen und Nettigkeiten austauschten, war die Richtung des Gesprächs festgelegt, schon bevor es offiziell begonnen hatte.
Katrin Reb zeigte auf den wattierten DIN-A5-Briefumschlag, der halb hinter einer offenen Milchflasche auf dem Tisch lag. «Schön, dass Sie so schnell gekommen sind, Professor Ullrich. Das hier war heute in der Post.»
Neben dem Briefumschlag lag ein Schlüssel. Jeder ahnte, was das bedeutete.
Sie formulierte es fast genüsslich: «Ein Nachschlüssel für die Abteilungen vier, fünf und …»
Jetzt fiel Ackers ihr ins Wort. Er ging Professor Ullrich direkt an: «Jemand hat das an Vivien Schneider geschickt. Wollen Sie immer noch behaupten, sie hätte keine Möglichkeiten gehabt, hier reinoder rauszukommen?»
Ullrich versuchte, sein Thara-Ich tief in sich zu verstecken. Er wollte jetzt ganz klar und rational reagieren. Kühle sachliche Wissenschaftlichkeit war gefragt.
«Wie Sie sehen, hat jemand versucht, ihr einen Schlüssel zuzuspielen. Es ist ihm aber offensichtlich nicht gelungen.
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