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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Familienverabredung.«
    »Wirklich?«
    »Ich habe ihr erzählt, wie viel ihr als Familie zusammen macht und so, und hab mir gewünscht, dass wir auch so werden.«
    »Aber das ist ja klasse, Gwyn!«, sagte ich. Ich war einigermaßen überrascht – nicht nur dass Mrs Sexton darauf eingegangen war, sondern auch dass Gwyn überhaupt diesen Wunsch hatte. Das waren gute Neuigkeiten, fand ich.
    Tatsächlich bekamen wir von einem griechischen Restaurantbesitzer den Weg beschrieben und schon landeten wir direkt im indischen Viertel. Genau wie in Indien wimmelte es auch hier von Menschen: Frauen in bunten oder goldenen Saris und dünnen Strickjäckchen, manche trugen Socken zu ihren Chappals und schlurften mit ihren Einkaufstüten wie entthronte Königinnen von Geschäft zu Geschäft. Männer und Jungs standen laut schwatzend in Gruppen zusammen, junge Mädchen mit makellosen Gesichtern tobten in Schuhen mit hohen Plateausohlen um sie herum und kicherten. Überall Inder – wohin man auch blickte!
    Als sich auf einmal Läden mit billigen und kitschigen Accessoires und Tops aneinander reihten, begann Gwyn, wie wild links und rechts einzukaufen. Plötzlich konnte auch ich nicht länger an mich halten, allerdings in anderer Hinsicht – es gab hier nämlich etwas, was für mich wie ein Geschenk des Himmels war: Wenn ich inmitten dieser bunten Szenerie nicht lernen würde, Farbfotos zu schießen, dann würde ich es nie lernen! Also hatte ich permanent Chica Tikka im Anschlag.
    Schließlich landeten wir in einem Geschäft, das ein bisschen teurere und pfiffigere Klamotten verkaufte. Gwyn legte jetzt richtig los, probierte alle möglichen Klamotten auf einmal an und stolzierte wie auf einem Laufsteg umher, während ich sie dabei knipste. Sogar die Verkäuferin war begeistert und half Gwyn, die passenden Sachen für ihre Bollywood-Posen auszusuchen. Es machte unglaublichen Spaß, mit der Kamera in der Hand die sen ganzen bunten Mix aus Farben, Düften und Stoffen aufzusaugen, und allmählich begann ich, mich wie zu Hause zu fühlen.
    Erst als wir wieder rausgingen, fiel mir etwas ziemlich Merkwürdiges auf: Die Schaufensterpuppen, die all die indischen Klamotten trugen, samt Bindis und anderem indischen Schmuck – diese Schaufensterpuppen waren gar keine »Inderinnen«! Sie hatten käseweiße Haut, lange Beine, kaum Kurven, champagnerfarbene Löckchen, kantige Gesichter und wasserblaue Augen. Sie sahen also aus, als hätte Gwyn ihnen Modell gestanden. Sogar hier. In Jackson Heights!
    Ich kam gar nicht darüber hinweg. Also wählte ich einen etwas weiteren Winkel für die Kamera und fotografierte eine Puppe nach der anderen, bis ich wieder Gwyn im Visier hatte, die vor dem Schaufenster zwischen zwei Puppen stand, in fast genau der gleichen Pose, die eine von ihnen hatte: Hüfte raus, eine Faust darauf gestützt, den Hals gereckt wie ein stolzer Vogel, die andere Hand lässig in den Nacken gelegt. Und dabei machte sie die Pose gar nicht mal nach – es war für sie einfach eine ganz natürliche Körperhaltung. Gwyn hatte es einfach. Und während ich so durch die Linse blickte, begriff ich wieder einmal, dass ihr die ganze Welt gehörte. In diesem Moment gab es nur eine Königin hier – und das war sie.
    Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass sich schon eine ganze Gruppe Schaulustiger um uns herum versammelt hatte.
    »Ye kya model hai«, sagte einer von ihnen.
    »Könnte man so sagen«, erwiderte ich.
    »Hab ich's doch gewusst!«, rief ein älterer Mann. »Die hab ich schon mal in einer Zeitschrift Badeanzüge vorführen sehen!«
    »Die glauben, dass du ein Model bist«, sagte ich zu Gwyn und grinste. »Komm, zeig ihnen, was du drauf hast!«
    Und sofort legte sie wieder los. Es war ein einziges Vergnügen, sie durch die Kamera zu bewundern. Ich fühlte mich wie eine richtige, professionelle Modefotografin und genoss das ungemein, schoss ein Foto nach dem anderen und ging sogar für ein paar Aufnahmen auf die Knie.
    Wir brauchten eine Weile, um die Menge wieder loszuwerden, aber nach einer kleinen Zickzack-Tour zur Metro-Station hatten wir alle abgeschüttelt und sprangen in die Bahn. Gwyn strahlte über das ganze Gesicht und nahm eine komplette Sitzbank mit ihren Tüten und Paketen ein.
    »Warte nur, bis Dilly mich sieht«, sagte sie. »Mit den ganzen Klamotten werd ich die indische Braut seiner Träume sein.«
    »Absolut! Der Kerl kann sich glücklich schätzen.«
    »Apropos«, sagte sie plötzlich, »wie war denn eigentlich das

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