Karma Girl
schwarz-weißen Bildchen – die Welt ist nicht schwarz-weiß.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte Karsh. Er war nun in meiner Achtung so tief gesunken, tiefer ging es nicht.
»Ja, wer braucht schon Ansel Adams, oder?«, sagte ich ironisch.
»Ganz genau«, meinte Karsh. »Wer braucht schon Ansel Adams!«
Das machte mich nun komplett fertig und ich war den Tränen nahe.
Als wir auf der Veranda standen, brachte Karsh wieder seine Yogi-Nummer und legte die Hände zusammen.
»Tante, Onkel: Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite«, flötete er. »Und das gilt natürlich auch für dich, Fräulein Lala.«
»Fandest du diese Fotos wirklich gut?«, fragte ich fast flehend. Ich musste mich einfach vergewissern, dass die Welt nicht komplett verrückt geworden war.
Er sah mir in die Augen – und nickte. Mein Herz fing an zu rasen.
»Ich fand sie super«, sagte er.
Meine Eltern winkten den beiden hinterher. Ich sah zu, wie sie, begleitet vom Zungenschnalzen meiner Mutter (»Ausgerechnet eine Ärztin! Sie müsste es doch wirklich besser wissen!«), Arm in Arm zu ihrem Auto torkelten. Plötzlich blieben sie stehen und Karsh klaubte mit einer Hand eine Streichholzschachtel aus der Hosentasche, entzündete mit nur zwei Fingern ein Streichholz und gab seiner Mutter Feuer. Unfassbar! Jetzt gingen sie mit ihrer Mutter-Sohn-Beziehung ein bisschen zu weit für meinen Geschmack. Zugegeben: Dieser Zwei-Finger-Trick wäre ziemlich cool gewesen, wenn ihn zum Beispiel jemand wie Julian vorgeführt hätte. Julian war immerhin ein Künstler. Er wusste schließlich auch Ansel Adams zu schätzen. Und deshalb hatte er zumindest das Potenzial, auch mich, wenn nicht im Ganzen, so doch wenigstens ein bisschen zu schätzen zu wissen.
Jedenfalls theoretisch.
Dann saßen die beiden endlich im Auto. Und in einer Wolke aus Abgasen und Zigarettenqualm brausten sie davon.
11. KAPITE L
Königinnen für einen Tag
Ich konnte es kaum erwarten, Gwyn von meiner Begegnung mit diesem Obertrottel namens Karsh zu berichten. Sie hatte mir eine Nachricht aufs Band gesprochen und mich für exakt zehn Uhr morgens ins Astor Place Starbucks bestellt. Angeblich hatte sie einen Tag frei (ich nahm an, sowohl von Dylan als auch von ihrem Starbucks-Job) und wollte mit mir noch mehr »exotische« Sachen kaufen, nachdem ihr (sowie Dylan und Julian) die Rakhis so gut gefallen hatten. Normalerweise wäre das nicht so mein Ding gewesen, aber da ich Gwyn nur selten ganz für mich allein hatte und es so viel zu erzählen gab, machte ich eine Ausnahme. Allerdings hielt Gwyn mich hin, denn zehn Uhr verging, ohne dass sie auftauchte; es wurde elf, dann halb zwölf. Bei ihrem Handy war nur die Mailbox an.
Ich kam gerade vom Telefon zurück, als Gwyn endlich hereingeschneit kam und sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen ließ. Sie trug ein weites »I love New York«-T-Shirt, hatte ihre Haare mit einem weißen Tuch hochgebunden und außer Lipgloss keinerlei Make-up aufgelegt - sie hatte es offensichtlich ziemlich eilig gehabt.
»Sorry, dass ich zu spät bin«, keuchte sie und deutete auf ihre Uhr. »Meine Uhr ist stehen geblieben.«
Dann war also Swatch schuld?! Ich bemühte mich, meinen Ärger hinunterzuschlucken.
»Na, dann lass uns keine Zeit verschwenden«, sagte ich und stand auf. Gwyn salutierte mir prompt.
»Auf nach Exotic City!«, rief sie.
Draußen griff sie meinen Arm, als ich in Richtung Metro schreiten wollte.
»Wo willst du hin, Süße? Wir können doch von hier aus nach Soho laufen.«
»Soho?«, sagte ich. »Da gibt's das Zeug aber nicht. Wir müssen nach Jackson Heights. Da geht meine Mutter nämlich immer hin.«
»Na gut, Mütter haben ohnehin immer Recht«, grinste sie. »Jedenfalls deine.«
★ ★ ★
Als wir in der Metro saßen, zückte Gwyn sofort einen Spiegel und begann, sich zu schminken – was gar nicht so einfach war, wenn man bedachte, dass wir in voller Fahrt durch den Untergrund rumpelten.
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass Dyl dieses ›New York‹-T-Shirt besitzt. Das sieht ja vielleicht aus! Aber meine anderen Sachen waren schon zu dreckig«, verkündete sie, während sie jede Menge Mascara auftrug.
Verdammt, war das eigentlich alles, worüber sie je nachdachte? Sie hatte mich nicht mal nach meinem Treffen mit dem passenden Jungen gefragt.
»Wo ist Dylan eigentlich?«, fragte ich. »Ich dachte, ihr wärt schon an der Hüfte zusammengewachsen.«
»Ach, der musste schnell zur Uni. Er castet gerade
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