Karma Girl
hinausgedrängt worden war. Ich konnte nicht zulassen, dass das noch schlimmer wurde, sonst war ich komplett draußen und hatte keine Chance mehr.
Gwyn hatte mittlerweile einen ordentlichen Joint ge dreht – sie schien offensichtlich Übung darin zu haben. Sie steckte ihn zwischen die Lippen und Karsh gab ihr Feuer. Dann nahm sie einen tiefen Zug und reichte den Joint an Karsh weiter. Auch der zog ordentlich daran, be vor er ihn mir mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Nicken, das wohl so viel wie Trau dich bedeuten soll te, anbot. Ich nahm den Joint in die Hand und meine Finger zitterten dabei. Ehrlich gesagt hatte ich bisher nicht mal große Erfahrung im Zigarettenrauchen gesammelt, richtig inhaliert hatte ich auch noch nie – und jetzt das!
Wahrscheinlich war es das Beste, so zu tun, als würde ich inhalieren, und den Rauch lässig in kleinen Wölkchen aus dem Mundwinkel zu hauchen, wie ich es allein vor dem Spiegel geübt hatte. Ich war wie gesagt ohnehin schon fast abgemeldet, da wollte ich die Kluft nicht noch dadurch vergrößern, dass ich wie eine Spielverderberin rüberkam.
Ich bemühte mich, meinen coolstmöglichen Blick aufzusetzen. Ob Gwyn überrascht war, konnte ich nicht ausmachen, sie ließ sich rein gar nichts anmerken. Der Joint war schon ziemlich feucht am Mundende, und meine Lippen blieben direkt am Papier kleben, während ich daran zog. Ich nahm nur einen kleinen Zug und sammelte etwas Rauch im Mund. Meine Haare ließ ich vorsorglich vornüberhängen, sodass sich der Rauch darin – und nicht in mir – verstecken konnte.
»Du lässt ja alles wieder raus«, sagte Gwyn. »Du musst den Rauch länger drinlassen. Das ist echt gutes Zeug - Dylan hatte auch seine Vorzüge.«
»Bin wohl etwas außer Übung«, sagte ich entschuldigend, was ja nicht ganz unrichtig war. Ich nahm einen weiteren Zug, diesmal kam der Rauch wirklich in den Lungen an. Als ich nach einer halben Ewigkeit ausatmete, kam nur noch ein klitzekleines Wölkchen zum Vorschein. Der Rest musste irgendwo verschwunden sein, während ich die Augen geschlossen hatte.
»Wow!«, sagte Karsh. »Beeindruckend, wie lang du die Luft anhalten kannst. Du könntest es unter Wasser, in einem gesunkenen Schiff oder so, ganz schön lange aushalten.«
»Na ja. Danke. Mag sein.«
»Aber wahrscheinlich wär ich das gesunkene Schiff.«
»Häh?«
Meine Kehle brannte wie Feuer, wenn ich redete, und meine Worte kamen kaum gegen die kurzen Hustenattacken an, die mich nun überfielen.
»Sagt mal, wollten wir nicht die Nadel tanzen lassen?«, meinte Karsh plötzlich.
Oh Gott, wollte der jetzt wirklich eine Nähstunde abhalten? Selbst Gwyn hielt mit fragendem Blick eine Nadel aus dem Nähkasten in die Höhe.
»Nein, nein, die Nadel vom Plattenspieler mein ich doch!«, gluckste Karsh. »Na los, das sollte doch schließlich eine DJ-Stunde werden, oder nicht?«
★ ★ ★
»Ich muss jetzt gehen«, sagte ich. Nichts schien sich zu rühren, also rief ich noch einmal aus meiner kleinen, dunklen Höhle: »Ich muss jetzt gehen!«
»Dimple? Wo bist du? Hör auf zu schreien! Hör auf, wir sind ja da.«
Ich sah zwei Paar Füße, ein helleres und ein dunkleres Paar, die im Raum auf und ab gingen.
»Wo bist du?«, rief das hellere Paar. »Mensch, was machst du denn? Sieh dir das an, Karsh!«
»Dimple?«, sagte das dunklere Paar, während es näher kam. »Ist alles okay?«
»Okay womit?«
»Bist du eingeklemmt?«
»Wieso soll ich eingeklemmt sein?«
»Na ja, was machst du denn da unterm Bett?«
Waren die auf Drogen, oder was? Das sah man doch sofort, dass ich in einer Höhle war.
Jetzt konnte ich Gwyns Stimme erkennen: »Mann, was soll das denn, Dimple? Komm sofort darunter hervor!«
Ich kroch aus meiner Höhle und blinzelte in die Helligkeit.
Karsh hockte sich hin, erst kamen seine Knie, dann sein Mund und dann seine schönen Augen zum Vorschein.
»Rani«, flüsterte er. So hatte mich außer Dadaji noch nie jemand genannt. In mir brachen alle Dämme.
»Dimple, ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«
Sein Zeigefinger tauchte auf und strich sacht über meine Wange. Als er sich wieder zurückzog, glitzerte ein Wassertropfen wie ein Diamant darauf. Das erinnerte mich daran, wie mein Vater früher meine Tränen mit seinem Daumen von meiner Wange gesammelt hatte, als ob sogar meine Traurigkeit etwas ganz Wertvolles gewesen wäre.
»Das ist einfach zu schön«, sagte ich. »Ich könnte weinen.«
»Du weinst ja schon«, sagte er mit sanfter Stimme.
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