Karma Girl
sah, wie er sich umwandte und sein schwarzgrüner Schatten mit der Dunkelheit verschmolz.
★ ★ ★
Bevor ich auf den Lichtschalter drückte, atmete ich tief durch. Doch dann ging plötzlich das Licht an, ohne dass mein Finger den Schalter berührt hatte. Oder hatte er ihn etwa berührt? Ich starrte den Schalter an, ob da vielleicht die Lösung zu finden war, dann, als ich immer noch genauso ratlos war wie zuvor, meinen Finger. Schließlich, nach einer gefühlten halben Ewigkeit, blick te ich auf.
Unser Esstisch war gedeckt und mit einer Teekanne, Tassen und Tellern sowie Bergen von Samosas, Chutneys, Pakoras beladen und – bei diesem Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen – einer ungeöffneten Tüte Mint-Milano-Keksen. Mein Magen begann, laut zu knurren. War ich etwa tot und schon im Himmel?
Oder war ich nur stoned?
Plötzlich kamen zwei bunt gekleidete Wesen aus der Ecke.
»Hallo!«, riefen meine Eltern einstimmig.
Ich war wirklich stoned! Shit. Erst erwischten sie mich total betrunken und jetzt das. Irgendwie verlief mein sozialer Abstieg ein bisschen schnell. Gab es gar keinen Ausweg?
»Nein!«, schrie ich. »Lasst mich doch bitte erklären!«
Ich wollte schon loslegen, alles inklusive Höhle unterm Bett zu beichten, doch dann bemerkte ich ihre engelsgleichen Mienen. Vielleicht hatten sie auch nur so Hallo gesagt.
»Aaray, du musst nichts erklären, Beta«, sagte meine Mutter lächelnd. »Warum hast du ihn denn nicht zu uns eingeladen?«
Hatten die beiden etwa auch was geraucht? Sie luden nie jemanden ein.
»Er ist ein wahrer Gentleman«, stellte mein Vater fest und nickte zufrieden.
»Natürlich ist er ein Gentleman. Wer sagt denn, dass er kein Gentleman ist?«, blaffte meine Mutter. »Aber warum lungert er denn wie so ein Stadtstreicher in der Einfahrt herum? Ich habe doch extra Chai und Samosas gemacht.«
Das war mir schon aufgefallen. Und ich war am Verhungern. Also zog ich einen Stuhl an den Tisch heran und meine Eltern taten es mir nach. Herzhaft biss ich in eine Samosa und ein leises Stöhnen kam mir über die Lippen. Seit wann waren die dermaßen gut?
»Plötzlich magst du wohl wieder indisches Essen, was?«, sagte mein Vater mit einem Augenzwinkern.
»Sie ist verliebt«, strahlte meine Mutter. »Sieh nur, Beta, deine Augen sind ganz rot.«
Ich versuchte nachzusehen, aber meine Pupillen fingen vom vielen Hin- und Herrollen an wehzutun.
»Hast du geweint?«, fragte mein Vater.
»Nö. Äh, gelacht.«
»Mach dir keine Sorgen, Beta«, sagte meine Mutter. »Die Liebe ist eine sehr emotionale Sache. Und sie bringt viele … viele Gefühle zutage. Es ist vollkommen okay, mal zu lachen und dann zu weinen.«
Ich war mittlerweile bei den Dips angelangt und tunkte ein großes Stück Samosa in das Glas mit Mango-Chutney.
»Dimple, es ist einfacher, wenn du dir mit dem Löffel ein bisschen Chutney auf das Tellerchen tust und dann eintunkst.«
Ich löffelte ziemlich viel vom Chutney auf meinen Teller und steckte die halbe Samosa ins Glas. Sie hatten Recht – es passte nun viel besser. Aber warum starrten sie mich so komisch an?
»Du musst ja ziemlich viel getanzt haben, dass du jetzt so hungrig bist«, sagte mein Vater nachdenklich. Ich nickte, während ich mir erneut ein Stück in den Mund schob, und ging gleich zu den Pakoras über.
»Wie war's denn eigentlich?«, fragte mein Vater.
»Na ja, Bhangra, ihr kennt das ja«, brachte ich mit vollem Mund hervor.
»Du klingst so heiser. Bekommst du eine Erkältung?«,
wollte meine Mutter wissen.
»Ich musste wegen der lauten Musik so schreien.«
»Was schreien?« Ich atmete einmal tief durch und schrie:
»Itchy itchy eye – oho! Itchy itchy eye – hihi!«
»Meine Güte, da hast du ja ganz schön was gelernt«,
grinste mein Vater und klopfte mir auf die Schulter.
»Du klingst regelrecht erleuchtet.«
Eher bedrogt als erleuchtet, würde ich mal sagen.
»Und hast du das Gefühl, dass du ihn viel besser kennen gelernt hast?«, fragte meine Mutter.
»Viel besser«, sagte ich und neigte den Teller, um mit den Fingern an den letzten Rest Chutney heranzukommen.
»Dimple, Prabhu, du hast ja einen Appetit, als wärst du schwanger!«, sagte mein Vater.
»Oh, wie ich mich schon auf den Tag freue!«, strahlte
meine Mutter, und man konnte schon die Tränen in ihren Augen sehen.»Ich war kürzlich erst bei Gap Kids, ihr hättet mal die neue Herbstkollektion sehen sollen.«
Entschuldigung, aber konnten die beiden mich bitte erst mal
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