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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Oberfläche kommt, nachdem sie tief hinabgetaucht und vollkommen verschwunden war. Ein perfekt geschwungener Mund, eine zierliche Nase, und nicht nur zwei, sondern sogar drei Augen zeigten sich nun, Augen wie Juwelen – und das dritte Auge leuchtete ganz beson ders. Es waren Gwyns Augen, die uns plötzlich entgegen blickten.
    Mir sackte das Herz in die Hose: Nicht mal hier war ich vor ihr sicher! Es war das Foto, das ich gemacht hatte, bevor wir ins HotPot gegangen waren: Gwyn, die sich soeben vor dem Spiegel ein Bindi auf die Stirn geklebt hatte und die in Schwarz-Weiß unglaublich schön rüberkam, während ich im Hintergrund im Spiegel zu sehen war, die Kamera in der Hand, das Gesicht halb verdeckt durch den Blitz, der vom Glas reflektiert wurde.
    Ich versuchte, mich zu konzentrieren, legte das Bild ins Stoppbad, dann in den Fixierer. Zunächst zögerte ich, das Licht anzustellen, aber andererseits gab es überhaupt keinen Grund dafür, es nicht zu tun. Also spülte ich den Abzug gründlich bei Licht ab und hängte das Foto zum Trocknen auf. Kaum vorstellbar, dass sie, die Schönste aller Schönen, sich damals nur selbst im Spiegel angesehen haben soll. Denn nun, an der Wäscheleine baumelnd, spürte ich ihren Blick auf uns. Auf ihm.
    Ich machte mir schon Sorgen, dass er zur Besinnung kommen und wieder gehen könnte. Doch er sagte kein Wort und machte keine Anstalten zu gehen – und das machte mir wieder Hoffnung. War es etwa möglich, dass er -?
    So blieben wir einfach Seite an Seite in meiner winzigen Dunkelkammer und entwickelten stundenlang (so kam es mir zumindest vor) Fotos. Die verträumte Stille, die währenddessen im Raum herrschte, verstärkte dabei mein Gefühl, dass Karsh ein ganz besonderer Junge war.
    »Dimple«, flüsterte er irgendwann, »ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wow! Das ist einfach unbeschreiblich, dir dabei zuzusehen.«
    Mir verschlug es glatt die Sprache.
    »Das war ja fast so wie Musikmachen«, fuhr er fort. »Komisch eigentlich, wo doch alles ganz still war. Aber so wie du mit den Schalen hantierst, wie du zum Ticken der Uhr die Sekunden mitzählst – das war praktisch so, als würdest du Snare und Synthesizer und Becken übereinander mixen. Dein Timing war einfach perfekt. Und was du alles noch so nebenbei machst, mit den Händen und mit dem Licht – also, wenn man sich dazu 'nen Song vorstellen würde, dann sahst du im Grunde genauso aus wie ein DJ.«
    Er nahm meine Hand und drehte die Handfläche nach oben.
    »Sieh mal, es steht ja auch hier drin«, flüsterte er und fuhr dabei mit einem Finger eine Linie entlang. »Du bist einzigartig, du hast den Groove in dir.«
    Jetzt atmete ich noch nicht mal mehr und konzentrierte mich nur noch auf die Berührung unserer Hände.
    »Und dann all diese Bilder …«
    Er zeigte ringsherum auf die Fotos an der Leine.
    »Die sind fantastisch … Kann ich dich um einen Gefallen bitten?«
    »Was immer du möchtest«, sagte ich leise.
    »Würdest du mir einen Abzug von einem Bild machen? Ich würde so gerne eins haben.«
    Mein Herz machte einen riesigen Satz vor lauter Komplimenten.
    »Natürlich! Welches möchtest du denn haben?«
    Ich folgte seinem Finger – und dann fiel mir das Herz schon wieder in die Hose. Er zeigte auf das Erste, das Foto von Gwyn! Wie hatte ich mir bloß einbilden können, je eine Chance zu haben?
    Ich nickte und er redete wieder weiter.
    »Ich würde gern noch viel mehr von deinen Fotos sehen – vor allem die, die dir am besten gefallen und die dir am meisten bedeuten.«
    Ich nickte nur stumpf vor mich hin. Schließlich hatte er schon nach dem Foto gefragt, dass ihm am meisten bedeutete. Und ich wusste auf einmal gar nicht mehr, welches mir am meisten bedeutete. Oder besser gesagt, ich wusste es schon, aber ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich es je würde entwickeln können, dieses Bild, das einfach nie zustande kommen würde: Das Bild, auf dem wir beide zusammen wären.
    Ich begleitete ihn nach oben. Kaum hatte ich die Tür aufgemacht, hörte man oben Fußgetrappel und urplötzlich wieder ziemlich viel Lärm aus der Küche: Glöckchen klingelten, der Wasserhahn lief wie wild und Mobiles klapperten um die Wette. Meine Mutter hatte also eindeutig versucht, von der Treppe aus zu lauschen, und tat jetzt so, als wäre nichts gewesen.
    »Bleibst du noch zum Essen, Beta?«, fragte sie Karsh, als wir wieder oben waren. »Ich habe extra Samosas gemacht.«
    »Vielen Dank, Ji, aber ich muss wirklich los.«
    »Baapray,

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