Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
erschütterten, dass er nicht mehr wusste, was real und was Teil seines endlosen Albtraums war.
»Vielleicht fühlst du Byrons Schmerzen«, wandte Mikhail besorgt ein. Jacques' Gesicht blieb unbewegt, doch die Furchen in seiner Haut vertieften sich, und rote Flecken traten auf seine Stirn.
Jacques, bist du verletzt? Ich komme zu dir! Sheas weiche 377
Stimme wirbelte durch seinen Geist, fing Teile seiner Gedanken ein und schien sie wieder zusammenzusetzen.
Wie immer war sie seine einzige Verbindung zur Realität, sein einziger Halt.
Bleib, wo du bist, aber bleib mit mir in Verbindung, Shea.
Diesem Ort so nahe zu sein, bringt mich aus der Fassung. Ich brauche dich. Er flehte sie an, doch er hatte keine andere Wahl.
Sie war seine Gefährtin, und geistig mit ihr verbunden zu sein, konnte ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg dieser Mission sein. Er wollte nicht die Schuld am Tod der anderen tragen.
Ein grimmiges Lächeln spielte um Gregoris Mund.
Seine silbrigen Augen waren todernst und von einem gefährlichen Leuchten erfüllt. »Sie wollen uns gefangen nehmen, Mikhail. Uns, die zwei mächtigsten unserer Art.
Vielleicht brauchen sie eine echte Demonstration von Macht.«
Jacques warf Mikhail einen unsicheren Blick zu.
Möglicherweise litt er an diesem Ort so sehr, weil sich sein Körper an jede Verbrennung und jeden Messerstich erinnerte. Mit dem Älterwerden wurde das Schmerzempfinden intensiver, sofern man überhaupt noch fühlen konnte. Im Gegensatz zu Vampiren waren Karpatianer zu ungeheuer starken Empfindungen fähig.
Jacques hatte erlitten, was kein Mann, ob Mensch oder Karpatianer, je hätte erdulden dürfen. Es war nicht einmal im Namen der Wissenschaft geschehen, sondern er war schlicht und ergreifend Opfer eines Sadisten geworden, der es darauf angelegt hatte, ihm so viel Schmerzen wie möglich zuzufügen.
Komm zurück, Jacques. Sheas Stimme war voller Sorge.
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Ich kann nicht. Ich kann Byron nicht meinem Geschick ausliefern.
Ich kann deine Schmerzen fühlen, Jacques. Es fällt dir sehr schwer, dich auf deine Aufgaben zu konzentrieren. Dein Geist ist sehr angegriffen. Wie kannst du Byron nützen, wenn du gefangen wirst? Komm zu mir zurück.
Ich hole ihn da raus. Bleib einfach bei mir, Shea. Jacques konzentrierte sich auf sie und hielt an ihrer Stärke und Wärme fest, um gegen die wachsenden Schmerzen anzukämpfen. Der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken, und der Regen prasselte erbarmungslos auf ihn hernieder. Sein Fleisch brannte; er konnte es riechen.
Schnittwunden brachen auf und bluteten stark. Er hielt sich die Brust, als ihn ein grauenhafter Schmerz durchfuhr und Muskeln und Knochen zerriss. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er bekam keine Luft mehr. Sein Herz klopfte so heftig, dass er glaubte, es würde explodieren.
»Jacques!« Gregori packte ihn am Arm. »Das ist Teil der Falle, die extra für dich aufgestellt wurde. Der Vampir wusste, dass du kommen würdest, und jetzt hängst du in seinem Netz fest. Er vervielfacht deine Ängste und die Schmerzen, die du gelitten hast. Er ist nicht hier; nur eine Illusion, in der du gefangen bist.
Wenn du dir bewusst machst, dass es nicht real ist, kannst du dich davon befreien.«
»Ich verstehe nicht...« Winzige scharlachrote Punkte übersäten Jacques' Körper und befleckten sein Hemd.
Seine Augen waren wild vor Schmerzen und Raserei.
Aber ich. Shea holte sich die Information aus seinem Bewusstsein. Sie hüllte ihn in die Wärme ihrer Liebe ein.
Fühle mich, Jacques. Konzentriere dich nur auf mich und 379
darauf, was du fühlst, wenn wir einander berühren und uns küssen. Sie ließ das geistige Bild erstehen, wie Jacques sie besitzergreifend und zärtlich in den Armen hielt, wie sein Mund hungrig zu ihrem fand. Wie sie sich anfühlte, heiß und seidig vor glühender Leidenschaft und voller Verlangen nach ihm. Ihr Mund, der nach seinem hungerte. Ihre Hände, die sich in seinem dichten Haar vergruben. Fühle mich, Jacques. Ihr Flüstern strich über seine Haut wie die Berührung von Fingerspitzen.
Jacques schloss geistig alles andere aus, bis es nur noch Shea gab, ihren Geruch, ihren Geschmack, die Berührung ihrer Finger, ihre weiche, sinnliche Stimme.
Sie wurde seine Welt, war seine Welt und würde es immer sein. Nichts anderes war real. Sie war sein Herz und die Luft, die er atmete. Ihre Atemzüge regulierten seine, bis sie wieder ruhig und stetig waren. Ihr Herz ließ seines wieder in einem normalen
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