Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
unseres Volkes werden an ihrem achtzehnten Geburtstag erwählt. Die karpatianischen Männer kommen zusammen und werden dem Mädchen vorgestellt. Wenn ihr Gefährte unter den Männern ist, erwählt er sie.«
»Das ist barbarisch! Eine mittelalterliche Fleischbeschau. Die Frauen haben keine Chance, ihr eigenes Leben zu führen«, protestierte Alexandria schockiert.
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»Karpatianerinnen werden in dem Wissen erzogen, dass sie das Schicksal ihres Gefährten in den Händen halten. Es ist ihr Geburtsrecht.«
»Kein Wunder, dass dieses arme Mädchen davongelaufen ist!
Kannst du dir vorstellen, so jung zu sein und mit diesem Mann zusammenleben zu müssen? Wie alt ist sie? Er muss ihr doch wie Methusalem vorkommen. Gregori ist ein Mann, Aidan, kein Junge, mit dem sie ausgeht. Er ist Furcht einflößend und weiß offenbar mehr als alle anderen Menschen oder Karpatianer unter der Sonne.«
»Wie alt schätzt du mich denn, Alexandria?«, fragte Aidan leise.
»Ich lebe nun schon seit über achthundert Jahren. Du bist nun unwiderruflich mit mir verbunden. Ist das so ein schweres Schicksal?«
Alexandria schwieg kurz, schenkte Aidan dann aber ein Lächeln.
»Frag mich in hundert Jahren noch mal. Dann werde ich es dir sagen.«
Seine Augen blitzten. »Du solltest jetzt nach Hause gehen, cara mia. Ich werde meine Arbeit hier beenden und dann nachkommen.«
»Ich bin mit dem Auto gekommen«, erklärte sie. »Als mein VW
nicht anspringen wollte, habe ich den kleinen Sportwagen genommen, der nie benutzt wird. Stefan meinte, es sei in Ordnung.«
»Das wusste ich und habe mich nicht beschwert. Ich weiß über jeden deiner Schritte Bescheid. Wir sind eins miteinander, piccola.«
Aidan strich ihr übers Haar. Sein Verlangen nach Alexandria erwachte, doch die Überreste des Vampirs befanden sich nur wenige Meter von ihnen entfernt. »Fahr nach Hause und warte auf mich.«
Als Aidan sie zum Auto brachte, legte er ihr beschützend den Arm um die Schultern. Alexandria schämte sich, weil sie das Gefühl der Sicherheit, das er ihr gab, so sehr genoss. Sie war fest entschlossen, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, besonders wenn sie daran dachte, welches Schicksal eines Tages ihrer Tochter bevorstehen würde. Sie musste sich gegen Aidan behaupten, wenn 305
sie sicherstellen wollte, dass ihre Tochter eines Tages ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte.
Aidan blickte den Rücklichtern des Autos nach, bis sie hinter der Kurve verschwanden, die zur Hauptstraße führte. Er strich sich das Haar zurück und wandte sich den Überresten auf den Felsen zu.
Einige Wochen zuvor waren fünf Vampire nach San Francisco gekommen. Sie waren mordend durchs Land gezogen, weil sie annahmen, dass keiner der Jäger ihnen folgen würde. Doch es war allen Karpatianern bekannt, dass Aidan Savage in San Francisco lebte. Warum hatten sie das Risiko nicht gescheut? Vielleicht warteten sie auf die Ankunft von Gregoris Gefährtin, doch bis dahin würden noch Monate vergehen. Was war es dann? Was hatte die Vampire ausgerechnet an den Ort in den Vereinigten Staaten verschlagen, an dem ein Jäger wohnte?
Aidan ging mit schnellen Schritten am Strand entlang. Hatten die Vampire Alexandrias Gegenwart gespürt? Oder hatte etwas anderes sie nach San Francisco gelockt? Aidan wusste, dass einige Verräter nach New Orleans gezogen waren, weil die Stadt für Ausschweifungen aller Art bekannt war. Außerdem geschahen in New Orleans mehr Gewaltverbrechen als in irgendeiner anderen Stadt, Auch Los Angeles zog die Vampire an, weil die hohe Kri-minalitätsrate ihr Treiben verbarg. Allerdings jagte Aidan sie dort, wenn er etwas von ihren Verbrechen erfuhr.
Als er den Vampir erreichte, sah Aidan, dass er verbrannt war.
Der Gestank des Bösen umgab ihn. Wenn er Alexandria hierher gefolgt war, wurde das Haus vermutlich überwacht. Er blickte in den Nachthimmel hinauf und sandte eine Herausforderung empor.
Düstere Wolken trieben über den Himmel wie ein böses Omen.
Komm zu mir. Du hast meine Stadt gefunden, mein Heim, meine Familie.
Ich warte auf dich. Der Wind trug die Worte über die Stadt, und irgendwo in weiter Ferne ertönte ein wütender Schrei.
Aidans Zähne blitzten auf, als er dem Feind höhnisches Gelächter sandte. Dann beugte er sich über den Vampir und erschrak über 306
dessen Zustand. Aidan schüttelte den Kopf. Gregori war tödlicher denn je.
Traurig und resigniert entfernte sich Aidan von der Leiche. Er hatte den Vampir gekannt, war mit ihm
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