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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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Emotionen in den Griff zu bekommen. Erni und Toni, die ich auf dem Weg hinaus aus der Stadt traf, fragten natürlich sofort nach Gu, was mich wieder einmal in Tränen ausbrechen ließ. An diesem Tag gab es immer wieder solche Situationen. Unser Zusammensein fehlte mir, ich fühlte mich allein. Das rhythmische Klacken seiner Stöcke fehlte mir. Niemand war da, dem ich meine Beobachtungen oder Empfindungen schildern konnte. Alles musste ich nun mit mir selbst ausmachen. In den nächsten Tagen sollte sich aber die Traurigkeit darüber wandeln, denn etwas Neues und Schönes entstand.
    Bei Burgos beginnen die Tierra de Campos, die scheinbar unendlichen Getreidefelder der Meseta, der zentralspanischen Hochebene. Im Reiseführer wird sie als weit, eben und karg beschrieben. Die zermürbende Flachheit und Eintönigkeit der kaum besiedelten Region würde dem Pilger eiserne Willensstärke abverlangen. Mich beeindruckte die Landschaft ungemein. Es wurde zwar nach den frühen Morgenstunden immer heißer, da wenig Schatten vorhanden war, doch ich fand die Meseta wunderschön. Ich liebe es, kilometerweit in die Ferne zu schauen, den Horizont endlos vor mir liegen zu sehen, keine Begrenzung des Blickes zu haben und damit meine Fantasie auf eine unendliche Reise schicken zu können. Ich berauschte mich an dem außergewöhnlichen Farbenspiel, das diese Gegend bot. Ich sah Felder, die schon abgeerntet waren und sich gelb und stoppelig gegen den Himmel abhoben. Andere Felder waren noch im Reifeprozess und bildeten in ihrem satten Grün einen deutlichen Kontrast zu dem darüber liegenden Blau. Dazwischen lagen knallrote sommerliche Mohnteppiche, die mir schon von Weitem ins Auge stachen. Meine Gedanken gingen auf große Fahrt, es war ganz anders als in den Tagen mit Gu. Wir hatten zwar nicht pausenlos geredet, sogar oft lange geschwiegen, aber doch hatten wir uns von Zeit zu Zeit ausgetauscht oder Außergewöhnliches sofort kommentiert. Jetzt setzte ich meine Beobachtungen von Menschen und Dingen auf intensivere Art und Weise zu mir in Beziehung. Sie hallten in meinem Kopf nach und fanden kein Echo von außen. Auch mich selbst erlebte ich auf einmal deutlich bewusster. Meine Verhaltensweisen in bestimmten Situationen und meine Haltung in vielen Momenten erkannte ich in neuer Klarheit. Obwohl oder gerade weil ich über den Tag weitestgehend allein blieb, lernte ich mich selbst besser kennen. Es war wohltuend, sich einfach dem Wandern, dem Schauen und Fühlen hinzugeben, einfach da zu sein. Adsum.

     
    Auf dem Weg nach Hornillos del Camino konnte ich noch einen anderen Unterschied zu vorher feststellen. Ich wurde von Einheimischen viel mehr gegrüßt als vorher, auch die anderen Pilger, weiblich wie männlich, schauten mich deutlich offener und neugieriger an. Ich hatte das Gefühl, mehr in ihrem Blick zu sein. Zum ersten Mal wurde ich auch von einer Spanierin angehalten und von ihr regelrecht ausgefragt. Sie wollte alles wissen: Woher ich käme; seit wann und warum ich unterwegs sei; ob ich bis Santiago laufen wolle; warum ich allein unterwegs sei; warum ich so traurig aussehen würde; warum ich so eine wunde Nase hätte? Sie konnte ein wenig Deutsch, ich hatte mittlerweile ja auch etwas Spanisch aufgeschnappt und unsere Hände taten ihr Übriges. Sie verabschiedete mich mit guten Wünschen und gab mir für meine Nase einen guten Tipp: Olivenöl würde die Haut beruhigen und sie wieder glatt und geschmeidig machen. Ich habe es leider nicht ausprobiert, da ich das Gewicht einer Olivenflasche nicht mit mir herumtragen und am Abend im Restaurant nicht auffällig werden wollte.
    Jede Kirche, jede Kapelle, an der ich nun vorbeikam, war geschlossen. Darüber war ich sehr traurig, wie gerne hätte ich eine Kerze angezündet und still in einer der Bänke auf das Christuskreuz geschaut. Es hätte mich getröstet.

     
    Mein Schienbein schwoll immer mehr an, obwohl ich zwischendurch immer wieder, auch länger, Rast gemacht hatte. Mein Tempo war aber sehr hoch. Ich hatte das Gefühl unbedingt vorwärtskommen zu wollen, als wenn mich etwas oder jemand an einer Schnur zog. Immer weiter, nur weiter. War es der Abschiedskummer? Wollte ich einfach nur Distanz zwischen mich und Burgos legen, so als wenn ich dadurch den Schmerz über die Trennung von Gu ein wenig aus meinen Gedanken verbannen könnte?

     
    Bei meiner letzten Rast an einem Wegkreuz schaute ich auf Hornillos del Camino hinunter, nach 20 km wollte ich dort Quartier beziehen. Der kleine Ort

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