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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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kann kaum atmen, meine Haut kribbelt vor Schweiß.
    Ein klebriger Zischlaut hallt in der Kapelle wider.
    »F-Fee«, flüstere ich, aber sie kann mich nicht hören. Der Zischlaut wiederholt sich, diesmal lauter. Rechts von mir. Ich drehe mich langsam, mein Herzschlag beschleunigt sich. Meine Augen legen den endlosen Abstand zwischen dem Fußboden und dem farbigen Glasfenster mit dem Engel und dem Haupt der Medusa zurück.
    »Oh, Gott …«
    Von Panik gepackt weiche ich zurück, aber die reglosen Mädchen blockieren mir den Weg, sodass ich nur entsetzt auf das Fenster starren kann, das lebendig wird. Wie in der Laternamagica -Schau kommt der Engel auf mich zu. Er hält das abgeschlagene Haupt der Medusa in die Höhe. Und dann macht das Scheusal seinen Mund auf und spricht.
    »Nimm dich in Acht vor der Geburt des Mai«, zischt es.
    Mit einem lauten Aufschrei falle ich ins Jetzt zurück und die Welt nimmt wieder ihren normalen Lauf. Ich bin gegen Ann geprallt, die gegen Felicity gestoßen ist und so weiter, wie eine Reihe von Dominosteinen.
    »Gemmai«, sagt Ann und nun merke ich, dass ich mich an sie klammere.
    »T-tut mir leid«, sage ich und wische mir den Schweiß von der Stirn.
    »Upps. Hier.« Felicity reicht mir ein Taschentuch.
    Die Orgel fordert uns mit einem Sturm falscher Töne zum Singen auf und ich hoffe, das Gebraus kann das wilde Klopfen meines Herzens übertönen. Meine Lippen bewegen sich, aber ich kann nicht singen. Ich zittere und bin in kalten Schweiß gebadet.
    Sieh nicht hin. Aber ich muss, ich muss …
    Ich wende meinen Blick so vorsichtig wie möglich nach rechts, wo Augenblicke zuvor die blutige Trophäe eines Engels eine Warnung gezischt hat, die ich nicht verstehe. Aber jetzt ist das Gesicht des Engels friedlich. Das Haupt der Medusa schläft. Es ist nur ein Bild in einem Fenster, nichts weiter als farbiges Glas.
    *
    Mein Puls will sich nicht beruhigen und so ziehe ich mich zurück und lese den Brief von zu Hause. Es ist Großmamas übliches Geschreibsel, über dieses Fest und jenen Besuch und über den allerneuesten Tratsch, doch dafür habe ich jetzt keinen Kopf. Mit Überraschung lese ich, dass Simon Middleton nach mir gefragt hat, und für einen Moment hellt sich meine Stimmung auf. Im nächsten Moment hasse ich mich dafür, dass ich meinen Gedanken erlaubt habe, sich so leicht von einem Mann einnehmen zu lassen; und genauso schnell vergesse ich, mich zu hassen, und lese den Satz dreimal.
    Hinter Großmamas Brief steckt eine Notiz von Tom. hiebe Gemma, Lady von der spitzen Zunge, schreibt er. Ich schreibe diese Zeilen unter Zwang, weil Großmama mich nicht in Frieden lässt, bevor ich es tue. Also werde ich meine Bruderpflicht erfüllen. Ich hoffe, dass es Dir gut geht. Mir selbst geht es ausgezeichnet, es ging mir noch nie besser. Mein Herrenklub hat sehr großes Interesse an mir bekundet und man hat mir mitgeteilt, dass ich vor Beginn der Saison einer sehr strengen Initiation nach ihren heiligen Riten unterzogen werde, um in ihre Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Sie waren so freundlich, sich nach Dir zu erkundigen, und haben mir alle möglichen Fragen gestellt; ich habe keine Ahnung, warum. Ich habe ihnen deutlich gesagt, was für ein Ekel Du sein kannst. Du siehst also, dass Du und Vater Euch in mir getäuscht habt, und ich werde versuchen, so überaus freundlich zu sein, Dir auf der Straße zuzunicken, wenn ich ein Mitglied des Oberhauses bin. Und nun, nach getaner Pflicht, empfehle ich mich Dir – so liebevoll, wie es Deinem ungebührlichen Temperament angemessen ist, Thomas.
    Ich zerknülle den Zettel und werfe ihn ins Feuer. Ich muss unbedingt mehr erfahren – über meinen Bruder, über den Orden, über Wilhelmina Wyatt, das Magische Reich und über diese Magie in mir, die mich ebenso erstaunt wie erschreckt. Es gibt nur eine Person, an die ich mich wenden und die mir Antwort auf alle meine Fragen geben kann. Und ich werde zu ihr gehen.

30. Kapitel
    An der Brombeerhecke verlasse ich meine Freundinnen. Ann nähert ihr Gesicht den Dornenranken, die uns trennen. »Kommst du nicht?«
    »Doch. Später. Ich muss etwas erledigen.«
    Felicity ist misstrauisch. »Was denn?«
    Ich seufze und verdrehe dramatisch die Augen. »Ich muss mit Ascha über die Meinungsverschiedenheit zwischen den Unberührbaren und dem Waldvolk sprechen.«
    »Klingt ziemlich langweilig«, sagt Felicity. »Viel Erfolg.«
    Arm in Arm eilen sie auf die Burg zu, die wie ein Geistergerippe aus ihrem Rankennest

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