Kartiks Schicksal
Sie spionieren mir nach.«
»Ich passe auf Sie auf, Miss Doyle«, korrigiert sie mich und für diese Lüge hasse ich sie am meisten.
»Ich weiß, dass Sie Wilhelmina Wyatt gekannt haben«, sage ich.
Miss McChennmine streift ihre Handschuhe ab und wirft sie auf einen Tisch. »Soll ich Ihnen sagen, was ich über Wilhelmina Wyatt weiß? Sie war eine Schande für den Orden und für das Andenken an Eugenia Spence. Sie war eine Lügnerin. Eine Diebin. Eine Drogensüchtige. Ich habe versucht, ihr zu helfen, und dann« – sie klopft mit dem Finger auf das Buch – »schrieb sie diese Lügen, um uns bloßzustellen – für Geld. Alles für Geld. Wissen Sie, dass sie uns mit dem Buch erpressen wollte, damit wir von unserem Plan, den Ostflügel zu restaurieren, abließen?«
»Warum hätte sie das tun sollen?«
»Weil sie gehässig war und keinen Funken Ehre im Leib hatte. Und ihr Buch, Miss Doyle, ist nichts als dummes Geschwätz. Nein, es ist gefährlicher als das, denn es beinhaltet Gemeinheiten, Entstellungen der Wahrheit, geschrieben von einer Verräterin.«
Sie schlägt das Buch mit einem lauten Knall zu, reißt es mir aus der Hand und marschiert damit in die Küche. Ich stürze ihr nach und hole sie ein, als sie gerade die Ofentür öffnet.
»Was tun Sie da?«, frage ich entsetzt.
»Ihm ein ordentliches Begräbnis bereiten.«
»Warten Sie …«
Bevor ich sie zurückhalten kann, wirft Miss McChennmine die Geschichte der Geheimbünde in den Ofen und schließt die Tür. Für einen Moment bin ich versucht, ihr zu sagen, was ich weiß – dass ich Eugenia Spence gesehen habe und dass dieses Buch sie retten kann –, aber Eugenia hat mir gesagt, ich solle vorsichtig sein, und nach all meinen Erfahrungen ist Miss McChennmine nicht zu trauen. Ich kann nur danebenstehen, während unsere größte Hoffnung verbrennt.
»Das Buch hat uns vier Schillinge gekostet«, krächze ich.
»Das soll Ihnen eine Lehre sein, in Zukunft sorgfältiger mit Ihrem Geld umzugehen.« Miss McChennmine seufzt. »Wirklich, Miss Doyle, Sie stellen meine Geduld auf eine harte Probe.«
Ich könnte bemerken, dass sie damit nicht allein ist, aber mich beschäftigt noch etwas anderes.
»Sie haben gesagt war« ,sinniere ich.
»Was?«
»Sie haben gesagt, Wilhlemina Wyatt war eine Drogensüchtige und eine Lügnerin, eine Verräterin. Sind Sie der Meinung, dass sie tot ist?«, frage ich, sie auf die Probe stellend.
Miss McChennmine wird blass. »Ich weiß nicht, ob sie am Leben ist oder nicht, aber angesichts ihres Zustands kann ich mir nicht vorstellen, dass sie noch lebt. Solch ein Leben fordert seinen Tribut«, sagt sie sichtlich nervös. »Wenn Sie in Zukunft etwas über den Orden wissen wollen, dann fragen Sie mich.«
»Damit Sie mir sagen können, was ich hören soll?«, sage ich herausfordernd.
»Miss Doyle, Sie hören nur, was Sie hören wollen, ob es wahr ist oder nicht. Das hat nicht das Geringste mit mir zu tun.« Sie reibt sich ihre Schläfen. »Jetzt gesellen Sie sich zu den anderen. Sie sind entlassen.«
Ich stürme aus der Küche und wünsche Miss McChennmine lautlos die Pest an den Hals. Die Mädchen strömen von draußen herein. Sie sind erhitzt und riechen ein bisschen streng, aber sie sind vergnügt und aufgekratzt, nachdem sie sich in einem sportlichen Wettstreit ausgetobt haben.
Als Felicity mich sieht, geht sie in Fechtposition und schneidet mit dem Florett Fechthiebe in die Luft. »Schurke! Du sollst dem König für deinen Verrat Rede und Antwort stehen!«
Vorsichtig schiebe ich die lange dünne Klinge beiseite. »Auf ein Wort, d’Artagnan.«
Sie verbeugt sich tief. »Gehen Sie voraus, Kardinal Richelieu.«
Wir schleichen uns in das kleine Empfangszimmer im Erdgeschoss. Es ist der Raum, wo Pippa ihrem ehemals Zukünftigen, Mr Bumble, ihre legendäre Abfuhr erteilt hat, bevor sie für immer im Magischen Reich gelandet ist. Auch den Verlust von Pippa empfinde ich heute besonders schmerzlich.
»Was zum Teufel hast du Cecily getan?« Felicity lässt sich in einen Sessel plumpsen und hängt ihre Beine höchst undamenhaft über die Armstütze. »Sie erklärt jedem, der es hören will, man sollte dich beim Morgengrauen hängen.«
»Wenn ich dann nie wieder ihre Stimme hören müsste, würde ich mit Vergnügen meinen Kopf in die Schlinge stecken. Aber ich muss dir etwas anderes sagen. Ich habe mir Wilhelmina Wyatts Buch noch einmal vorgenommen. Wir haben beim ersten Durchgang etwas Wichtiges übersehen. Die Zeichnungen. Ich
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