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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Hochglanz poliert. Kamingitter werden geputzt. Winkel und Ritzen gesäubert. Mrs Nightwing eilt geschäftig hin und her, als erwarteten wir die Ankunft Ihrer Majestät und nicht eines kleinen Kreises von Eltern und Wohltätern.
    Unsere Direktorin schickt uns ins Freie – aus Angst, wir könnten atmen und irgendwie die makellosen Räume von Spence besudeln. Das ist uns nur recht, denn es ist ein besonders schöner Tag. Entlang dem bemoosten Ufer des nahen Baches schlagen wir unser Lager auf. Wir dürfen unsere Stiefel und Socken ausziehen und barfuß über das kühle Gras laufen.
    Ein Stück weiter auf einem sanften Hügel wurde ein Maibaum aufgestellt. Die jüngeren Mädchen, mit ihren verrutschten Blumenkränzen auf den glänzenden Köpfen, laufen kichernd kreuz und quer um den Baum herum.
    Felicity, Ann und ich machen uns selbstständig. Ann und ich tauchen unsere Füße ins kalte Wasser, während Felicity Blumen pflückt. Ihr Kleid ist mit Blütenstaub gesprenkelt.
    Sie lässt sich neben uns nieder. »Veilchen gefällig?«, sagt sie und hält uns eines hin.
    Ann wedelt das zarte Blümchen fort. »Wenn ich mir das anstecke, dann würden sie denken, ich habe nicht vor zu heiraten. Das bedeutet es nämlich, wenn man Veilchen trägt.«
    Unbeeindruckt steckt Felicity das Veilchen in ihr weißblondes Haar, wo es wie ein Signal leuchtet.
    »Da mir Mrs Nightwing jetzt erlauben wird, auf den Ball zu gehen, brauche ich ein Kostüm«, sagt Ann. »Ich hab mir gedacht, vielleicht gehe ich als Lady Macbeth.«
    »Mmmm«, murmle ich. Dabei werfe ich einen Blick nach rückwärts zu den Mädchen, die um den Maibaum tanzen, dann weiter zum Wald und zum Zigeunerlager hinüber. Aber ich habe Kartik seit jener Nacht nicht mehr gesehen.
    Felicity lässt ein Veilchen wie eine Spinne vor meiner Stirn baumeln und ich schreie, was ihr maßlosen Spaß macht.
    »Lass das«, warne ich.
    »Na schön, Euer Gnaden von und zu Grübelheim«, sagt sie. »Worüber denkst du so eifrig nach?«
    »Ich habe mich gefragt, warum Wilhelmina mir nicht gesagt hat, wo ich den Dolch finde oder den goldenen Schlüssel. Ich frage mich, wovor sie mich warnen wollte.«
    »Falb sie dich warnen wollte«, meint Felicity. »Vielleicht war es ein Trick und du warst klug genug, nicht darauf hereinzufallen.«
    »Vielleicht«, sage ich. »Aber was ist mit Eugenia?«
    »Bist du sicher, dass du sie wirklich gesehen hast?«, fragt Ann. »Denn keine von uns beiden hat sie gesehen und wir waren mit dir dort.«
    Und ich frage mich, ob ich mir auch das eingebildet habe. Ob ich noch zwischen Wahrheit und Illusion unterscheiden kann. Doch nein, ich habe sie gesehen – ich habe sie gespürt. Sie war wirklich und die Gefahr, die sie fühlte, war wirklich. Aber bei allem, was mir teuer ist – ich kann die Teile nicht zusammenfügen.
    »Und Miss McChennmine und Mrs Nightwing?«, frage ich.
    Felicity strampelt mit den Füßen im Wasser, dass es spritzt. »Du weißt, dass sie den Ostflügel wiederaufbauen, um sich das geheime Tor zunutze zu machen. Aber das ist alles, was du sicher weißt. Es wird eine Ewigkeit dauern, bis der Bau fertig ist, und sie haben keine Ahnung, dass wir dort schon aus- und eingehen. Und bis sie es herausfinden, werden wir das Bündnis geschlossen haben und es wird zu spät sein.«
    »Du vergisst, dass die Hadschin sich uns nicht anschließen werden und dass mich das Waldvolk hasst«, sage ich.
    Felicitys Augen sprühen. »Sie hatten ihre Chance. Warum schließen wir das Bündnis nicht nur untereinander, nur wir vier – du, ich, Ann und Pippa?«
    »Was Pippa betrifft …«, sage ich vorsichtig.
    Felicitys Gesicht verdüstert sich. »Was ist mit ihr?«
    »Geben dir die Veränderungen an ihr nicht zu denken?«
    »Du meinst ihre Zauberkraft«, korrigiert mich Felicity.
    »Ich glaube, sie ist in die Winterwelt gegangen«, fahre ich fort. »Ich glaube, sie hat Wendys Kaninchen geopfert. Vielleicht hat sie auch noch andere Opfer dargebracht.«
    Felicity zerquetscht das Veilchen zwischen ihren Fingern. »Soll ich dir sagen, was ich glaube? Ich glaube, dir gefällt nicht, dass sie jetzt Zauberkraft besitzt. Oder dass Ann und ich das Magische Reich ohne dich betreten können. Ich habe dein Gesicht gesehen, als sich das Tor für uns geöffnet hat!«
    »Ich war nur überrascht …«,beginne ich, aber die Lüge bleibt mir im Hals stecken.
    »Und überhaupt, du bist diejenige, die sich seltsam verhält, Gemma. Mit Circe turteln. Dinge sehen, die nicht da sind. Du bist es,

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