Kartiks Schicksal
husten, aber Tom hält es zurück. Nur ja keine Schwäche zeigen.
Ich gehe ans Fenster. Draußen wartet eine Kutsche. Es ist nicht unsere Kutsche, aber ich erkenne sie. Die schwarzen Vorhänge, die den Eindruck eines Leichenwagens vermitteln. Ein Streichholz wird angerissen und eine Zigarette angezündet. Fowlson.
Tom ist dicht hinter mir. »Ah, mein Fahrer. Ich habe heute Abend eine ziemlich wichtige Verabredung, Gemma. Ich hoffe, du wirst nicht das Haus niederbrennen, während ich weg bin.«
»Tom«, sage ich und folge ihm die Treppe hinunter in die Diele, »bitte geh heute Abend nicht in den Klub. Bleib hier bei mir. Wir könnten Karten spielen ! «
Tom lacht und zieht seinen Mantel an. »Karten ! Wie spannend ! «
»Nun ja. Wir brauchen nicht Karten zu spielen. Wir könnten …« Was? Was haben mein Bruder und ich jemals gemeinsam unternommen, abgesehen von ein paar Spielen in der Kindheit? Es gibt herzlich wenig, was uns zusammenhält, außer derselben unglücklichen Geschichte. Tom wartet auf mein Angebot, aber ich habe keins.
»Also gut. Ich bin dann weg.«
Er nimmt seinen Hut, diese dumme Eitelkeit, und betrachtet sich prüfend im Spiegel neben der Tür. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen.
»Tom, ich weiß, ich klinge vielleicht wie eine von deinen Patientinnen in Bedlam, aber bitte, lass mich ausreden. Du darfst diesen Abend nicht zu dem Treffen gehen. Ich glaube, du bist in Gefahr. Ich weiß, dass du den Rakschana beigetreten bist.« Tom versucht zu widersprechen, aber ich hebe die Hand. »Ich weiß es. Dein Herrenklub ist nicht, wofür du ihn hältst, Tom. Dieser Männerbund existiert seit Jahrhunderten. Man kann ihm nicht trauen.«
Tom steht einen Moment unschlüssig. Ich kann nur hoffen, ihn erreicht zu haben. Er bricht in Lachen und Applaus aus. »Bravo, Gemmai Das ist zweifellos die fantastischste Geschichte, die du bisher ausgebrütet hast. Ich fürchte, nicht ich bin es, sondern Sir Conan Doyle, der in Gefahr ist. Denn deine Kriminalgeschichten übertreffen die seinen bei Weitem!« Ich packe seinen Arm und er fegt mich weg. »Gib auf diesen Mantel acht! Mein Schneider ist gut, aber teuer.«
»Tom, bitte. Du musst mir glauben. Es ist keine Geschichte. Sie wollen nicht dich; sie wollen mich. Ich besitze etwas, das sie haben wollen, etwas, wofür sie alles tun würden, um es zu bekommen. Und sie wollen dich aufnehmen, um an mich heranzukommen.«
Ein Funken furchtbarer Kränkung flammt in Toms Augen auf. »Du bist genau wie Vater. Zweifelst an mir bei jeder Gelegenheit. Schließlich, warum sollte irgendjemand an Thomas Doyle interessiert sein, der ständigen Enttäuschung seines Vaters?«
»Das habe ich nicht gesagt..«
»Nein, aber gedacht, das kommt aufs Gleiche heraus.«
»Nein, du irrst dich …«
»Ja, ich irre mich ständig. Das ist das Problem. Nun, heute Abend nicht. Heute Abend werde ich Teil von etwas, das größer ist als ich. Und sie haben mich gefragt, Gemma. Sie wollen mich. Ich erwarte nicht, dass du dich für mich freust, aber wenigstens könntest du mir mein Glück gönnen.«
»Tom …«, flehe ich und sehe ihm nach, wie er sich auf den Weg macht. Das Dienstmädchen hält ihm die Tür auf, bemüht, ihre Augen von unserem Streit abzuwenden.
»Und zum letzten Mal, ich weiß nicht, was du mit dieser ganzen Rakschana-Angelegenheit meinst. Ich habe nie von ihnen gehört.« Er wirft mit Schwung den Schal um seinen Hals. »Gute Nacht, Gemma. Und bitte lass die Finger von diesen Büchern, die du verschlingst. Sie setzen dir nichts als Hirngespinste in den Kopf.«
Tom schlendert den Gehweg zur Kutsche hinunter. Fowlson bietet ihm beim Einsteigen eine hilfreiche Hand, aber sein boshaftes Grinsen gilt ganz mir.
59. Kapitel
Vaters Zimmer ist nur von der kleinen Lampe neben seinem Bett beleuchtet. Er atmet angestrengt, aber er ist ruhig. Dr. Hamilton hat ihm Morphium gegeben. Merkwürdig, wie eine Droge sowohl eine Pein als auch ein Labsal sein kann.
»Hallo, Kleines«, murmelt er mit schläfriger Stimme.
»Hallo, Vater.« Ich setze mich an sein Bett. Er streckt eine Hand aus und ich nehme sie.
»Dr. Hamilton war vorhin hier«, sagt er.
»Ja, ich weiß.«
»Ja.« Er schließt für einen Moment die Augen, dann schreckt er hoch. »Ich glaube … ich glaube, ich sehe diesen Tiger. Der alte Bursche ist zurück.«
»Nein«, sage ich leise und tupfe seine Wangen ab. »Da ist kein Tiger, Papa.«
Er zeigt auf die gegenüberliegende Wand. »Siehst du nicht
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