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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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oder einen schreienden Esel oder, Gott behüte, einen Tory.«
    »Zu spät. Du bist schon ein schreiender Esel.«
    »Hilfe, du wirst von nun an unerträglich sein. Ich bin zu eingeschüchtert, um dir zu widersprechen«, sagt Tom.
    »Du weißt nicht, wie glücklich mich das macht, Thomas.« Fowlson will die Wagentür für mich öffnen, aber ich komme ihm zuvor. »Danke, ich hab’s schon.«
    »Wohin fahren wir?«, fragt Tom. Er drängt sich an mir vorbei ins Wageninnere und setzt sich, ohne sich um irgendjemand sonst zu kümmern. Die Ordnung ist wiederhergestellt.
    »An einen Ort, wo du willkommen bist«, sage ich. »Mr Fowlson, bringen Sie uns zur Hippokrates-Gesellschaft, bitte.«
    Fowlson verschränkt die Arme vor seiner Brust. Er sieht mich nicht an. »Warum haben Sie’s getan? Warum haben Sie sich mich ausgesucht?«
    »Ich glaube denen ein bisschen weniger als Ihnen. Und wie es scheint, vertraue ich Ihnen ein bisschen mehr.«
    »Sie werden mich nicht im Stich lassen«, sagt Fowlson leise.
    Kartik blickt finster drein.
    »Würden Sie darauf wetten?«, frage ich. »Ich lasse mir nicht länger drohen. Die Rakschana haben keine Macht über mich. Dies ist Ihre Chance, sich als ein Held zu erweisen, Mr Fowlson. Enttäuschen Sie mich nicht. Enttäuschen Sie sie nicht«, sage ich bedeutungsvoll.
    »Das würde ich nie tun«, sagt er und blickt dabei zu Boden. Und ich stelle fest, dass selbst Mr Fowlson eine Achillesferse hat.
    *
    Als wir bei der Hippokrates-Gesellschaft ankommen, schlägt Mr Fowlson fest gegen die Tür, bis sie geöffnet wird.
    »Was gibt es?«, fragt ein weißhaariger Herr, dicht gefolgt von mehreren weiteren Klubmitgliedern.
    »Bitte, meine Herren, es handelt sich um Mr Doyle. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Die Herren strömen in einer Wolke von Zigarrenrauch heraus. Tom befühlt sein zerschundenes Gesicht, während er mit Kartiks und Fowlsons Hilfe aus der Kutsche wankt. Ich folge zwei Schritte dahinter.
    »Doyle, alter Junge. Was ist passiert?«, ruft der weißhaarige Herr aus.
    Tom reibt sein wundes Kinn. »Nun ja, ich … ich …«
    »Als wir vom Abendessen zurückgekommen sind, saßen Rowdys auf unserer Kutsche«, erkläre ich aufgeregt. »Sie hätten uns etwas zuleide getan, wenn mein lieber Bruder uns nicht gerettet hätte.«
    »Ich … habe euch …?« Toms Kopf schnellt zu mir herum. Ich beschwöre ihn mit meinen Augen: Verpfusch das nicht. »Richtig! Ich habe euch gerettet. Nicht auszudenken, was sonst passiert wäre.«
    Die Männer rufen durcheinander: »Nicht zu fassen!«, »Sapperment!«, »Fantastische Geschichte – wie haben Sie das gemacht?«
    »Nun ja«, beginnt Tom, »da wir es eilig hatten, hat mein Fahrer heute Abend eine Abkürzung durch die Docks genommen und sich verirrt. Plötzlich hörte ich gellende Hilfeschreie.«
    »Unglaublich!«, rufen die Herren.
    »Ich zählte drei – ein halbes Dutzend Männer von zweifelhaftem Charakter, Straßenräuber ohne einen Funken von Gewissen in den Augen …«
    Wie ich sehe, bin ich nicht als Einzige mit einer blühenden Fantasie begabt. Aber heute Abend soll Tom sich in seinem Ruhm sonnen, sei’s drum. Ein liebenswürdiger Herr versichert mir hoch und heilig, man werde sich gut um meinen »heldenhaften Bruder« kümmern. Und ich bin überzeugt, dass nach diesem denkwürdigen Abend Toms Platz in der Gesellschaft gesichert ist.
    »Tom«, rufe ich ihm nach. »Dann wird Mr Fowlson mich also nach Spence fahren?«
    »Hmmm? Ja, natürlich. Auf nach Spence mit dir.« Er winkt mich mit der Hand fort. »Oh, Gemma?«
    Ich drehe mich noch einmal um.
    »Danke.« Er grinst und seine Lippe fängt wieder an zu bluten. »Au ! «
    Fowlson kutschiert los. Kartik sitzt neben mir. London zieht in all seiner Pracht und Hässlichkeit an uns vorbei: die Schornsteinfeger, die am Ende eines anstrengenden Tages mit rußigen Gesichtern heimwärts wandern; die Anwälte mit ihren glatt gebürsteten Hüten; die Frauen in ihren Rüschen und Spitzen. Und an den Ufern der Themse stochern die Mud Larks im Schmutz und Schlamm, auf der Suche nach verborgenen Schätzen – einer Münze, einer wertvollen Uhr, einem verlorenen Kamm, einem glitzernden Glück, um ihr Los zu wenden.
    »Nimm dich in Acht vor der Geburt des Mai, nimm dich in Acht vor der Geburt des Mai«, murmle ich vor mich hin. »Wie konnte er damit auf Circe angespielt haben? Sie wusste damals nicht, dass ich zu ihr kommen würde«, sage ich laut. Ich wiederhole den Satz noch ein paarmal und drehe und wende ihn in

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