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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Zwitterwesen und schultert eine schimmernde Axt.
    »Dort unten ist eine Passage«, sage ich.
    »Wo ist die Lehrerin?«, fragt Philon.
    »Wir haben Miss McChennmine im Niemandsland verloren«, antworte ich.
    Fowlson hat seinen Gürtel abgeschnallt. Er schärft sein Messer mit immer rascheren Strichen am Leder.
    »Ich fürchte, das ist erst der Anfang«, antwortet Philon.
    Mit den Waffen in Händen macht sich unsere zerlumpte Truppe zu Fuß auf den Weg zu der schmalen Passage, die ins Herz der Winterwelt führt. Ein letztes Mal flehe ich die Medusa an.
    »Ich wünschte, du würdest mitkommen. Wir könnten dich sehr gut gebrauchen.«
    »Mir ist nicht zu trauen«, beharrt sie.
    Ich beuge mich so nahe zu ihr wie nie zuvor, als möchte ich sie umarmen. Eine der Schlangen streift mein Handgelenk und ich ziehe die Hand nicht weg. Die Schlange züngelt und bewegt sich weiter. »Ich traue dir.«
    »Weil du mich nicht kennst.«
    »Medusa, bitte …«
    Schmerz blickt aus ihren Augen und sie schließt sie, um die Regung zu verbergen. »Ich kann nicht, Gebieterin. Ich werde auf deine Rückkehr warten.«
    »Wenn ich zurückkehre«, sage ich. »Wir sind zahlenmäßig unterlegen und auf meine Magie ist kein Verlass.«
    »Wenn du fällst, sind wir alle verloren. Zerstöre den Baum. Es ist die einzige Möglichkeit.«
    »Wird die Medusa mitkommen?«, fragt Ann, als ich sie und die anderen eingeholt habe.
    »Nein«, sage ich.
    Philon blickt auf die erbarmungslose Landschaft – die rot gestreiften Wolken, die enge Passage vor uns. Ein rauer, kalter Wind bläst uns den Sand scharf ins Gesicht. »Schade. Wir könnten ihre Kampfkraft gebrauchen.«
    »Geh einfach weiter«, flüstere ich.
    Kartik zwängt sich durch die Reihen zu uns zurück. »Gemma, ich glaube, wir sollten nicht denselben Weg nehmen wie das letzte Mal. Dort sind wir den feindlichen Blicken zu sehr ausgesetzt. Es gibt einen kleinen Tunnel, der zu dem Felsvorsprung hinter den Klippen führt. Er ist schmal und schwer zugänglich, aber von dort können wir sie ungesehen beobachten.«
    »Einverstanden«, sage ich. »Führe uns hin.«
    Wir tasten uns ein zerbröckelndes Geländer entlang, das plötzlich ins Nichts abbricht. Mir saust vor Schreck das Blut in den Ohren und ich fixiere meine Augen auf Philons schimmernde Axt direkt vor mir. Endlich treten wir aus dem Tunnel heraus und Kartik hat recht: Hinter den Klippen ist eine Stelle, wo wir uns verstecken können.
    »Hörst du das?«, fragt Kartik.
    In der Ferne ist der Lärm von Trommeln zu hören. Er hallt von den Felswänden wider.
    »Ich werde nachsehen«, sagt Kartik. Er klettert den zerklüfteten Felsen hinauf wie ein Eichhörnchen und streckt seinen Kopf über den Rand, dann turnt er ebenso geschickt wieder herunter. »Sie versammeln sich auf der Heide.«
    »Wie viele?«, fragt Philon.
    Kartiks Gesicht ist von grimmiger Entschlossenheit. »Zu viele, um sie zu zählen«, antwortet er.
    Das Dröhnen der Trommeln schwingt bis in meine Knochen hinein. Es füllt meinen Kopf, bis ich glaube verrückt zu werden. Vielleicht wäre es leichter, die feindliche Überzahl nicht mit eigenen Augen zu sehen, nicht zu wissen, was uns erwartet. Aber ich muss es wissen. Ich klammere mich fest an die Felskante, ziehe mich hinauf und schaue über die schroffen Klippen, die uns einstweilen Schutz bieten.
    Kartik hat nicht übertrieben. Das Heer der Winterwelt ist riesig und furchterregend. An der Spitze reiten die Todesschergen in wehenden schwarzen Umhängen, die auseinanderklaffen und die gefangenen Seelen enthüllen. Selbst aus dieser Entfernung kann ich das Glitzern ihrer spitzen Zähne sehen. Die Todesschergen überragen mit ihren gut zwei Metern Länge alle anderen. Die Klatschmohnkrieger in ihren glanzlosen Kettenpanzern verwandeln sich in riesige schwarze Raben und kreisen über den Feldern. Sie krächzen mit quälender Ausdauer; mehr und mehr dieser Vögel erheben sich in die Luft, bis der Himmel von ihrem Geschrei schrillt. Ich bete, dass sie nicht in diese Richtung fliegen und unser Versteck erspähen. Hinter ihnen ist ein Heer dunkler Geister – der wandelnden Toten. Ihre Augen sind leere Höhlen oder von jenem beunruhigenden Bläulich-Weiß wie die Augen Pippas. Sie folgen, ohne zu fragen. Und in der Mitte ist der Baum, höher, mächtiger als beim letzten Mal. Seine Glieder dehnen sich nach allen Richtungen aus. Ich könnte schwören, unter seiner Rinde die Seelen wie Blut fließen zu sehen. Und ich weiß, dass sich in seinem

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