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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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strecke eine Hand aus, auf der Suche nach dem verborgenen Tor. Ich fühle es mehr, als dass ich es sehe. Es ist ein Gefühl unbeschreiblicher Sehnsucht und Freude. Eine Wunde des Verlangens, die unheilbar ist. Es flüstert mir Geheimnisse zu, die ich nicht verstehe, Sprachen, die ich nicht kenne. Der Wind heult. Er wirbelt kleine Tornados aus Staub auf.
    Die Umgebung schimmert. Der schwache Umriss des Tors erscheint wieder.
    »Wahnsinn«, ruft Ann.
    Felicity streckt zögernd die Hand aus. »Meinst du, das führt ins Magische Reich?«
    »In der Brandnacht kam der dunkle Geist der Winterwelt zu Sarah«, erinnere ich sie. »Und Eugenia Spence opferte sich anstelle von Sarah. Sie warf ihr Amulett – dieses Amulett – meiner Mutter zu und versiegelte das Tor ins Magische Reich. Der Ostflügel stand in Flammen. Alle Spuren des Tors waren verschwunden.«
    »Wer weiß, ob das hier dasselbe Tor ist«, sagt Ann zitternd. »Es könnte woandershin fuhren. Vielleicht in die Winterwelt.«
    »Dieses Risiko nehme ich auf mich«, sage ich, bereit, den Schimmer der Hoffnung, der mir winkt, am Schopf zu packen.
    »Es k-k-könnte eine F-F-Falle sein«, sagt Ann.
    »Wir sitzen schon in der Falle«, sagt Felicity. »Ich möchte herausfinden, was mit Pippa geschehen ist.« Sie nimmt meinen Arm. Ich ergreife die Laterne.
    »Ann?« Ich reiche ihr die Hand und ihre kalten Finger schlüpfen in meine, klammern sich fest. Ich hole tief Luft und wir machen einen Schritt vorwärts. Für eine Sekunde ist es, als würden wir fallen, und dann umfängt uns nichts mehr außer der Dunkelheit. Es riecht modrig und süß.
    »Gemma?«, flüstert Ann. »Was ist mit Fee?«
    »Ich bin hier«, sagt Felicity. »Wo immer das ist.«
    Ich leuchte mit der Lampe voraus und kann ein paar Schritte weit sehen. Vor uns liegt ein langer Gang. Das Lampenlicht fällt auf eine hohe gewölbte Decke aus hellem Stein. Wurzeln drängen sich da und dort durch Mauerspalten. In unserem Rücken schläft Spence, aber es ist, als liege diese Welt hinter Glas, und wir bewegen uns weiter vorwärts.
    Die Wände flimmern und werfen einen schwachen Schein wie von Hunderten Leuchtkäfern auf den vor uns liegenden Weg, während hinter uns wieder Dunkelheit herrscht. Der Gang krümmt und windet sich in verwirrender Weise.
    Anns ängstliche Stimme hallt von den Wänden wider. »Pass auf, dass wir uns nicht verirren, Gemma.«
    »Würdest du bitte still sein?«, schimpft Felicity. »Gemma, ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    »Geht einfach weiter«, sage ich.
    Wir kommen zu einer Wand.
    »Wir sind gefangen.« Anns Stimme zittert. »Ich hab gewusst, dass es so kommen wird.«
    »Ach, hör schon auf«, knurrt Felicity.
    Es muss hier sein. Ich werde nicht aufgeben. Lass die Magie frei, Gemma. Fühle sie. Entfessle ihre Macht. Irgendetwas ruft nach mir. Es ist, als würden die Steine selbst zum Leben erwachen. Der Umriss eines zweiten Tors erscheint in der Wand. Grelles Licht sickert durch die Ränder. Ich gebe dem Tor einen Stoß. Es schwingt auf, begleitet von einer Staubwolke, als wäre es seit Jahren versiegelt gewesen, und wir betreten eine nach Rosen duftende Wiese. Der Himmel ist in der einen Richtung von einem klaren Blau und in der anderen vom goldenen Orange des Sonnenuntergangs. Es ist ein Ort, den wir gut kennen, aber seit einiger Zeit nicht mehr gesehen haben.
    »Gemma«, murmelt Felicity. Ihr Staunen weicht hellem Jubel. »Du hast es geschafft! Wir sind endlich ins Magische Reich zurückgekommen!«

9. Kapitel
    »Es ist so schön!«, jubelt Felicity. Sie wirbelt herum, bis sie schwindlig ist und lachend ins hohe Gras fällt. »Oh, es ist wie der allerherrlichste Frühling, den ich je erlebt habe«, murmelt Ann. Und das ist es wirklich. Lange samtige Fäden aus Moos hängen von den Wipfeln der Bäume wie grüne Vorhänge; Zweige mit rosa und weißen Blüten schaukeln in der sanften Brise und streicheln unsere Wangen und Lippen. Sie verfangen sich in meinem Haar und verleihen ihm einen süßen Duft. Ich reibe eine Blüte zwischen meinen Fingern und atme ihren Geruch; ich muss mich vergewissern, dass sie real ist, dass ich nicht träume.
    »Wir sind wirklich hier, nicht wahr?«, frage ich Felicity, als sie sich ins Moos schmiegt wie in einen Hermelin.
    »Ja, das sind wir«, versichert mir Felicity.
    Zum ersten Mal seit Monaten steigt Hoffnung in mir auf: Wenn ich das schaffe, wenn ich uns ins Magische Reich bringen kann, dann ist nicht alles verloren.
    »Das ist nicht der Garten«,

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