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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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zu. Der Bug hat die Gestalt eines furchterregenden Geschöpfes mit einem grünen Gesicht, gelben Augen und einem Haupt voll zischender Schlangen. Die Medusa! Wild winkend laufe ich ans Ufer, um sie zu begrüßen.
    »Medusa!«, rufe ich. »Medusa, ich bin es, Gemma! Wir sind zurückgekommen!«
    »Sei gegrüßt, Gebieterin«, antwortet sie mit ihrer zischelnden Stimme. Ihre Augen lassen weder Überraschung noch Freude erkennen. Sie legt am grasbewachsenen Ufer an und lässt ihre Laufplanke herunter, damit ich an Bord kommen kann. Der Rumpf des Schiffes ist grau gewaschen. An den Seiten hängen silberne Netze und ein Gewirr von Tauen. Das Boot ist groß, aber schäbig und abgenutzt. Vor vielen Hundert Jahren wurde die einst stolze Kriegerin an dieses Schiff gebannt, zur Strafe für ihre Teilnahme an einer Rebellion gegen den Orden. Nun ist sie frei und kann das Schiff verlassen, hat es jedoch bis jetzt nicht getan. »Wir hatten euch früher erwartet.«
    »Ich konnte das Magische Reich nicht betreten, seit ich dich zuletzt gesehen habe. Ich fürchtete, nie mehr wiederkommen zu können. Aber jetzt sind wir hier, und oh, Medusa, geht es dir gut? Natürlich geht es dir gut!« Ich bin vor Glück überwältigt, weil die Magie in mir wieder lebendig ist. Ich fühle, wie sie mein Blut befeuert. Ja, wir sind endlich ins Magische Reich zurückgekehrt. Wir sind zu Hause.
    Ich wage mich in den Bug vor und nehme neben dem riesigen grünen Gesicht der Medusa Platz. Die Schlangen auf ihrem Haupt winden sich in alle Richtungen und beobachten mich, machen aber keine Anstalten anzugreifen.
    Die Medusa schaut mit zusammengekniffenen Augen zum Horizont. »Das Magische Reich ist in letzter Zeit seltsam ruhig. Ich habe nichts von den dunklen Geistern der Winterwelt gehört.«
    »Das klingt doch gut.«
    »Ich bin mir nicht sicher …«,murmelt die Medusa.
    »Und was ist mit Pippa?«, frage ich, außer Hörweite von Felicity und Ann. »Hast du sie irgendwo gesehen?«
    »Nein«, antwortet die Medusa und ich weiß nicht, ob ich erleichtert bin, das zu hören – oder ob es mir Angst macht. »Die Sache ist mir nicht ganz geheuer, Gebieterin. Seit längerer Zeit gibt es kein Zeichen mehr von diesen Dunkelwesen – das habe ich noch nie erlebt.«
    Die Luft ist voller Blütenduft. Der Fluss rauscht freundlich, wie immer. Die Magie pulsiert so wohlig-wild in meinen Adern, dass es ganz unvorstellbar ist, dass jemals wieder irgendetwas schiefgehen könnte.
    »Vielleicht sind sie fort«, sage ich. »Oder schließlich doch ins Jenseits eingegangen.«
    Die Schlangen auf dem mächtigen Haupt der Medusa ringeln sich zusammen und richten sich auf, ihre rosa Zungen züngeln aus ihren grausamen Mündern. »Ich habe keine Seelen über den Fluss setzen sehen.«
    »Das heißt nicht, dass sie es nicht getan haben. Und es ist gut möglich, dass sie keine Hilfe gebraucht haben.«
    »Vielleicht«, zischt die Medusa, aber die Besorgnis weicht nicht aus ihrem Gesicht. »Es gibt noch andere Probleme. Philon fragt nach dir. Das Waldvolk hat dein Versprechen nicht vergessen. Du hast gelobt, ein Bündnis mit ihnen zu schließen, um ihnen Zutritt zum Tempel zu gewähren und die Magie mit ihnen zu teilen. Soll ich dich jetzt zu ihnen bringen?«
    Ich bin noch keine halbe Stunde im Magischen Reich und schon werden mir eine Menge Verpflichtungen aufgehalst. »Ich glaube …« Ich schaue zu meinen Freundinnen, die mit vollen Händen Blumen in den Himmel werfen, von wo aus sie als silberne Flocken herabfallen. »Nicht sofort.«
    Die gelben Augen der Medusa starren durch mich hindurch. »Du willst die Magie nicht teilen?«
    Ich springe vom Schiff hinunter und starre auf mein Spiegelbild in der freundlichen Oberfläche des Flusses. Es starrt erwartungsvoll zu mir zurück. Sogar mein Spiegelbild scheint mich zu bedrängen. »Medusa, ich habe gedacht, ich hätte alles verloren. Ich bin gerade erst zurückgekehrt. Ich muss das Magische Reich und die Magie ergründen, um die richtige Entscheidung zu treffen«, denke ich laut. »Und das muss ich auch in meiner eigenen Welt tun. Ich möchte meinen Freundinnen helfen und unser Leben ändern, solange wir das noch können.«
    »Ich verstehe«, sagt die Medusa und ich kann nicht erkennen, wie sie darüber denkt. Das riesenhafte Wesen senkt seine Stimme zu einem leisen Grollen. »Es gibt noch andere Bedenken, Gebieterin.«
    »Welche?«
    »Keine Person hat je die ganze Zauberkraft in sich vereinigt. Es muss ein Gleichgewicht zwischen Chaos und

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