Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
Vom Netzwerk:
sagt Ann. »Wo sind wir?«
    »Ich weiß es nicht«, erwidere ich und blicke mich um. Hohe Steinquader erheben sich in scheinbar wahlloser Anordnung, die mich an Stonehenge erinnern. Ein schmaler Feldweg schlängelt sich zwischen ihnen hindurch, weg von dem Tor, durch das wir gekommen sind. Der Weg ist kaum zu sehen, als sei er lange nicht benutzt worden.
    »Hier ist ein kleiner Pfad«, sage ich. »Folgen wir ihm.«
    Als wir uns entfernen, verschwindet das Tor im Felsen.
    »Gemmai«, keucht Ann. »Es ist weg!«
    Mir ist, als hätte jemand einen Strick um mein Herz gezurrt. Ich versuche, meine fünf Sinne zusammenzunehmen. Ich mache einen Schritt auf den Felsen zu und das Tor schimmert wieder.
    »Oh, dem Himmel sei Dank«, sage ich mit einem Stoßseufzer der Erleichterung.
    »Kommt weiter«, fleht Felicity. »Ich möchte den Garten sehen. Ich möchte …« Sie beendet den Satz nicht.
    Wir folgen dem Pfad zwischen den Steinquadern. Die Steine, obwohl pockennarbig vor Alter und Schmutz, sind mit einer eindrucksvollen Reihe von Friesen geschmückt, die unterschiedlichste Frauengestalten darstellen. Einige sind jung wie wir, andere so alt wie die Erde selbst. Einige sind eindeutig Kriegerinnen, mit ihren zu den Strahlen der Sonne erhobenen Schwertern. Eine, mit bis auf den Boden fallendem, sanft gewelltem Haar, sitzt umringt von Kindern und Rehkitzen. Eine andere, bekleidet mit einem Kettenhemd, ringt mit einem Drachen. Priesterinnen. Königinnen. Mütter. Heilerinnen. Die gesamte mythologische Weiblichkeit scheint hier versammelt zu sein.
    Ann starrt die Bilder ratlos an. »Was glaubst du, wer die sind?«
    »Vielleicht gehörten sie zum Orden oder sie sind noch älter«, sage ich. Ich fahre mit der Hand über ein Relief von drei Frauen in einer Barke. Die links ist ein junges Mädchen, die rechte ist ein wenig älter und die in der Mitte ist eine alte Frau, die eine Laterne hochhält, als würde sie jemanden erwarten. Das Bild berührt mich seltsam, so als hätte ich einen Blick in die Zukunft geworfen. »Sie sind bemerkenswert, nicht wahr?«
    »Das Bemerkenswerte ist, dass keine Einzige von ihnen ein gottverdammtes Korsett trägt«, sagt Felicity kichernd. »Oh, Gemma, beeilen wir uns. Ich kann nicht länger warten.«
    Der Weg führt durch große Weizenfelder, vorbei an ordentlichen Reihen von Olivenbäumen und an der Grotte, wo früher die Runen des Orakels standen. Endlich sind wir wieder im Garten, den wir gewissermaßen als unseren Privatbesitz betrachten.
    Kaum haben wir vertrautes Terrain betreten, beginnt Felicity zu laufen. »Pippa?«, ruft sie. »Pippa! Pippa, ich bin es, Felicity! Wir sind zurückgekommen!« Sie sucht in allen Winkeln. »Wo ist sie?«
    Ich bringe es nicht übers Herz zu sagen, was ich denke – dass unsere liebe Freundin Pippa nun für immer verloren ist. Entweder hat sie über den Fluss ins Jenseits übergesetzt oder sie hat sich mit den dunklen Geistern der Winterwelt verbündet und ist unsere Feindin geworden.
    Ich warte, dass die Magie in mir aufflackert, aber sie verhält sich nicht so wie früher. Ich bin aus der Übung. Genau. Fang mit etwas Einfachem an, Gemma.
    Ich greife mir eine Handvoll Blätter und schließe die Augen. Mein Herzschlag beschleunigt sich und dann erfasst mich ein plötzliches Fieber. Es ist, als würde die ganze Welt – alles Erlebte, Vergangenes und Gegenwärtiges – blitzschnell durch mich hindurchfließen. Ein verzücktes Lächeln breitet sich über meine Lippen. Und als ich die Augen öffne, haben sich die Blätter in meiner Hand in Rubine verwandelt.
    »Ha! Seht her!«, schreie ich. Ich werfe die Edelsteine in die Luft und sie fallen herunter wie roter Regen.
    »Oh, es ist schon so lange her, dass wir mit Magie gespielt haben.« Ann sammelt Blätter in ihren Händen und pustet. Die Blätter fliegen auf ihrem Atem und fallen dann in einer langsamen Spirale zu Boden. Ann runzelt die Stirn. »Ich wollte, dass sie Schmetterlinge werden.«
    »Warte, lass es mich versuchen.« Felicity nimmt eine Handvoll Blätter, aber wie sehr sie sich auch bemüht, sie werden zu nichts anderem; sie sind und bleiben Blätter. »Warum kann ich sie nicht verwandeln? Was ist mit der Magie passiert? Wie ist es dir gelungen, die Rubine zu machen, Gemma?«
    »Ich hab mir’s einfach gewünscht und schon waren sie da«, sage ich.
    »Gemma, du Schlaumeierini Du hast die Magie tatsächlich an dich gebunden!«, sagt Felicity mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid. »Jeder Funke davon

Weitere Kostenlose Bücher