Kartiks Schicksal
schreien auf, als sie dessen tödliche Wunde sehen. Mit einem gewaltigen Krach birst der Baum und die Magie in seinem Innern strömt heraus.
»Zurück ! «, ruft die Medusa Kartik zu, aber zu spät.
Jeder Tropfen Zauberkraft des Baumes fließt in Kartik. Sein Körper empfängt die Magie wie einhundert Stockhiebe. Er stürzt zu Boden und ich fürchte, es habe ihn getötet.
»Kartik!«, schreie ich.
Er kommt langsam auf die Füße, aber er ist nicht mehr Kartik. Er ist etwas vollkommen anderes, ein in Licht und Schatten gemeißeltes Etwas mit Augen, die von Braun zu einem erschreckenden Bläulich-Weiß wechseln. Er ist so strahlend hell, dass es in den Augen wehtut, ihn anzusehen. Die ganze Zauberkraft des Baumes – die Magie der Winterwelt – lebt jetzt in ihm und ich weiß nicht, was das bedeutet.
»Kartik!« Ich strecke die Hand nach ihm aus und mein Blut tropft auf die gefrorene Erde.
»Es beginnt wieder von vorn!«, ruft ein Todesscherge den anderen zu.
Die Wurzeln des verwundeten Baumes werden lebendig. Sie winden sich um meine Knöchel und klettern an meinen Schienbeinen hoch. Ich schreie und versuche mich loszureißen, aber ich werde verschlungen.
»Er ist nicht tot!«, keuche ich. »Warum?«
»Er kann nicht getötet werden«, donnert Amar. »Er kann nur verwandelt werden.«
Felicity und Ann stürzen hinzu, um die Wurzeln fortzuzerren, während Fowlson die Stränge mit seinem Messer zerhackt, aber die neuen Triebe sind stark.
»Ich habe dir gesagt, Bruder, dass du sie uns bringen würdest. Dass du ihr Tod sein würdest«, sagt Amar traurig.
Kartik glüht vor Zauberkraft. »Du hast mir gesagt, ich solle meinem Herzen folgen«, sagt er und irgendein Fitzelchen von Amar, das noch von ihm übrig geblieben ist, hört es.
»Stimmt, Bruder. Wirst du mir Frieden geben?«
»Ja.«
Mit der Geschmeidigkeit eines Tigers packt Kartik das Schwert seines Bruders. Amar hebt seine Arme und Kartik stößt zu. Amar brüllt auf. Ein gleißendes Licht umhüllt ihn und dann ist er nicht mehr. Kartik legt seine Hände auf meine Hüfte. Die Magie flammt auf und wir sind beide in strahlendes Licht und tiefe Dunkelheit getaucht. Seine Kraft fließt in mich über, bis die Magie der Winterwelt sich mit der Magie des Tempels vermengt. Und für einen kurzen Moment sind wir vollkommen eins. Ich fühle ihn in mir und mich in ihm. Ich höre seine Gedanken; ich weiß, was in seinem Herzen vorgeht, was er vorhat zu tun.
»Nein«, sage ich. Ich versuche mich zu lösen, aber er hält mich fest.
»Doch, es ist die einzige Möglichkeit.«
»Ich lasse es nicht zu!«
Kartik zieht mich enger an sich. »Die Schuld muss gesühnt werden. Und du wirst in der Welt gebraucht. Ich habe mein ganzes Leben nach einem Sinn gesucht; nach einem Platz, wohin ich gehöre. Jetzt weiß ich es.«
Ich schüttle den Kopf. Tränen brennen auf meinen kalten Wangen. »Tu’s nicht.«
Er lächelt traurig. »Jetzt kenne ich mein Schicksal.«
»Was ist es?«
»Das.«
Er zieht mich an sich und in einen Kuss. Seine Lippen sind warm. Er schließt seine Arme enger um mich. Die Wurzeln seufzen, sie lösen ihren Griff um meine Taille und die Wunde an meiner Hüfte ist geheilt.
»Kartik«, sage ich und küsse seine Wangen. »Er hat mich losgelassen.«
»Gut so«, sagt er. Er stößt einen kleinen Schrei aus. Sein Rücken krümmt sich und jeder Muskel in seinem Körper spannt sich.
»Tritt zurück«, ruft die Medusa mit ausdruckslosen Augen.
»Heiliger Bimbam!«, sagt Bessie ehrfürchtig.
Nun erkenne ich, was er getan hat. Er hat mit dem Baum einen Tauschhandel abgeschlossen. Ann und Felicity greifen nach mir. Fowlson versucht mich zurückzuhalten, aber ich reiße mich los.
Es ist zu spät, um etwas zu unternehmen. Die Winterwelt hat Kartiks Handel akzeptiert.
»Wenn ich zurückkönnte … es ungeschehen machen könnte …«,schluchze ich.
»Es gibt kein Zurück, Gemma. Nie. Man muss immer vorwärts gehen. Die Zukunft liegt vor dir«, sagt Kartik.
Er küsst mich zärtlich auf die Lippen und ich erwidere seinen Kuss, bis die Wurzelstränge sich um seine Kehle schlingen und seine Lippen kalt werden. Der letzte Laut, den ich von ihm höre, ist ein zärtliches »Gemma …«.
Der Baum nimmt ihn auf. Er ist fort. Nur seine Stimme bleibt zurück, das Echo meines Namens im Flüstern des Windes.
Die Todesschergen zeigen auf mich. »Sie hat die Magie des Tempels noch ! Wir können sie uns immer noch holen!«
Ich stoße die Schrecklichen mit meiner Zauberkraft
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