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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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mir?«, frage ich scharf.
    »Miss Doyle. Gemma. Sie verstehen nicht, dass ich Ihre Freundin bin. Ich möchte Ihnen helfen – wenn Sie es mir erlauben würden.«
    Sie legt mir eine sanfte Hand auf die Schulter. Ich will nicht, dass diese kleine mütterliche Geste Gewalt über mich hat, doch das hat sie. Es ist komisch, dass man Zärtlichkeit nicht vermisst, bis man sie bekommt, aber dann auf einmal kann es nicht genug sein; man würde darin ertrinken, wenn das möglich wäre.
    Ich blinzle die Tränen fort, die mir unwillkürlich in die Augen steigen. »Sie haben mir gesagt, ich solle Sie mir nicht zur Feindin machen.«
    »Das war überstürzt. Ich war enttäuscht, dass Sie nicht zu uns gekommen sind.« Miss McChennmine nimmt meine Hände in ihre. Ihre Hände sind knochig und viel zu leicht, als sei sie es nicht gewohnt, andere Hände zu halten. »Sie haben geschafft, was vor Ihnen noch niemand geschafft hat. Es ist Ihnen gelungen, das Magische Reich wieder zu öffnen. Sie haben Circe für uns besiegt.«
    Bei der Erwähnung von Circe schlägt mein Herz rascher. Ich starre auf einen großen braunen Fleck am Fußboden, wo das Holz verzogen ist. »Und was ist mit meinen Freundinnen? Was ist mit Felicity und Ann?«
    Miss McChennmine lässt meine Hände los. Sie geht im Raum auf und ab, die Finger im Rücken ineinandergehakt, wie ein Priester in Gedanken. »Wenn das Magische Reich sie nicht auserwählt hat, gibt es nichts, was ich tun kann. Sie sind nicht für dieses Leben bestimmt.«
    »Aber sie sind meine Freundinnen«, sage ich. »Sie haben mir geholfen. Genau wie einige der Völker und Wesen des Magischen Reichs.«
    Miss McChennmine wischt einen unsichtbaren Schmutzfleck vom Kaminsims. »Wir können sie nicht aufnehmen. Es tut mir leid.«
    »Ich kann ihnen nicht den Rücken kehren.«
    »Ihre Loyalität ist lobenswert, Gemma. Das ist sie wirklich. Aber sie ist fehl am Platz. Nehmen wir einmal an, Ihre Rollen wären vertauscht – glauben Sie, die anderen würden zögern, Sie fallen zu lassen?«
    »Sie sind meine Freundinnen«, wiederhole ich.
    »Sie sind Ihre Freundinnen, weil Sie Macht besitzen. Und ich habe gesehen, wie Macht alles verändert.« Miss McChennmine lässt sich in einem großen Ohrensessel mir gegenüber nieder. Ihre Augen bohren sich in meine. »Ihre Mutter hat tapfer für unsere Sache gekämpft. Sie werden doch ihr Andenken nicht besudeln, sie nicht enttäuschen wollen, nicht wahr?«
    »Sie haben kein Recht, von meiner Mutter zu sprechen.« Mein Haar fällt mir ins Gesicht. Ich schiebe es wütend hinter meine Ohren, aber es will mir nicht gehorchen.
    Miss McChennmines Stimme ist leise und eindringlich. »Ich habe kein Recht dazu? Ihre Mutter war eine von uns – eine Schwester des Ordens. Sie ist gestorben, als sie versucht hat, Sie zu beschützen, Gemma. Ich ehre ihr Andenken, indem ich mich um Sie kümmere.«
    »Sie wollte nicht, dass ich dem Orden angehöre. Deshalb hat sie mich in Indien versteckt gehalten.«
    Miss McChennmine schiebt zärtlich mein widerspenstiges Haar hinter mein Ohr und es besitzt die Frechheit, ihr anstandslos zu gehorchen. »Und trotzdem hat sie Ihren Vater gebeten, Sie hierher nach Spence zu schicken, falls ihr etwas zustoßen sollte.«
    Ich war mir in den letzten Tagen so sicher, aber jetzt ist mein Hirn wie verklebt und ich kann den Weg nicht deutlich sehen. Was ist, wenn sie recht hat und ich mich irre?
    »Was wollen Sie tun, Gemma? Wie wollen Sie ganz allein zurechtkommen?«
    »Aber Sie waren innerhalb der letzten zwanzig Jahre nicht mehr dort«, sage ich mit neuer Sicherheit. »Sie sind diejenige, die nicht weiß, wie es jetzt ist.«
    Sie versteift sich. Das mütterliche Lächeln verschwindet von ihren Lippen. »Sie würden gut daran tun, auf mich zu hören, Miss Doyle. Sie mögen glauben, dass Sie diesen Wesen Offenherzigkeit entgegenbringen, sie sich zu Freunden machen, mit ihnen an einem Strang ziehen können, aber Sie täuschen sich. Sie haben keine Ahnung, zu welch schrecklichen Handlungen sie fähig sind. Am Ende werden sie Sie verraten. Wir sind Ihre Freundinnen, Ihre Familie. Es gibt nur einen Weg – unseren Weg.«
    Die Uhr tickt und tickt. Der braune Fleck im Holz scheint zu wachsen. Ich kann Miss McChennmines Augen auf mir fühlen, die mich zwingen wollen aufzuschauen. Ihre Stimme nimmt wieder diesen einschmeichelnden mütterlichen Ton an. »Gemma, wir waren Generationen hindurch die Beschützerinnen der Magie. Wir wissen, wie man sie handhaben muss. Lassen Sie

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