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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Spiel – jedes Spiel – mit ihm zu spielen. Ich lege eine Hand an einen Baumstamm und schwinge mich langsam um den Stamm herum, meinen Körper der Fliehkraft überlassend. »Und warum hat er sein bestes Kleid angelegt?«
    »Er war in London, verstehen Sie? Und jetzt ist er zu ihr zurückgekehrt«, fährt Kartik fort.
    »Und was, wenn sie böse auf ihn ist, weil er so lange fort war?«
    Kartik zieht seine Kreise dicht hinter mir. »Sie wird ihm verzeihen.«
    »Wird sie das?«, sage ich mit besonderer Betonung.
    »Er hofft, dass sie es tun wird, denn er wollte sie nicht verärgern«, antwortet Kartik und ich bin nicht mehr sicher, dass wir von dem Igel sprechen.
    »Und ist er glücklich, sie wiederzusehen?«
    »Ja«, sagt er. »Er würde gerne länger bleiben, aber er kann nicht.«
    Die Rinde schabt an meiner Hand. »Warum nicht?«
    »Er hat seine Gründe und er hofft, dass seine Dame sie eines Tages verstehen wird.« Kartik ändert die Richtung. Er umrundet den Baum andersherum. Wir stehen uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Eine Handvoll Mondschein langt durch die Zweige und streichelt mein Gesicht.
    »Oh«, sage ich mit klopfendem Herzen.
    »Und was würde die Igeldame dazu sagen?«, fragt er mit leiser, dunkler Stimme.
    »Sie würde sagen..« Ich schlucke schwer.
    Kartik kommt näher. »Ja?«
    »Sie würde sagen«, flüstere ich, » › mit Verlaub, ich bin kein Igel. Ich bin ein Beagle.‹«
    Ein kleines trauriges Lächeln spielt um Kartiks Lippen. »Er hat das Glück, eine so geistreiche Freundin gefunden zu haben«, sagt er und ich wünschte, ich könnte den Moment noch einmal zurückholen, um anders zu antworten.
    Wir geben Freya noch mehr von dem Apfel, den sie gierig verschlingt. Kartik streichelt ihre Mähne und die Stute wird ganz sanft unter seiner Hand und stupst ihn mit der Nase. Rings um uns haben die Geschöpfe der Nacht das Sagen. Wir sind umgeben von einer Symphonie von Grillen und Fröschen. Keiner von uns beiden hält es für nötig zu sprechen und das ist eine der Eigenschaften Kartiks, die ich tröstlich finde. Wir können zusammen still sein.
    »So, fertig«, sagt er und wischt sich die Hände an seiner Hose ab. »Mehr gibt’s nicht, Freya.«
    Gähnend streckt Kartik seine Arme über den Kopf. Sein Hemd schlüpft aus dem Bund. Es rutscht mit seinen Armen hoch und eine Spur dunkler Haare wird auf der muskulösen Fläche seines Bauchs sichtbar.
    »S-Sie scheinen müde zu sein«, stammle ich, froh, dass er in der Dunkelheit meine glühenden Wangen nicht sehen kann. »Sie sollten schlafen gehen.«
    »Nein!«, sagt er. »Ich würde gern einen Spaziergang am Weiher machen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten wollen.«
    »Natürlich«, sage ich, glücklich, dass er mich gefragt hat.
    Der Weiher leckt in einem friedlichen Rhythmus am Ufer. Eine Eule ruft in der Ferne. Eine leichte Brise weht mein Haar gegen meine Wangen und kitzelt sie. Kartik setzt sich mit dem Rücken an einen Baum. Ich setze mich neben ihn.
    »Was haben Sie gemeint, als Sie sagten, unsere Schicksale seien nicht mehr miteinander verknüpft?«, frage ich.
    »Ich habe gedacht, es sei mein Schicksal, ein Rakschana zu sein. Aber ich habe mich geirrt. Jetzt weiß ich nicht, was mein Schicksal ist. Ich weiß nicht einmal, ob ich an Schicksal glaube.«
    So wütend mich Kartiks Überheblichkeit, seine Gewissheit gemacht haben, jetzt stelle ich fest, dass ich sie vermisse. Es tut weh, ihn so verloren zu sehen.
    Wir versinken wieder in Schweigen. Die Augen fallen ihm vor Müdigkeit zu, aber er kämpft dagegen an. »Nur eines muss ich noch wissen und dann werde ich nicht wieder fragen. Haben Sie Amar gesehen?«
    »Nein. Ich schwöre es.«
    Er scheint erleichtert zu sein. »Das ist gut. Gut.« Er schließt die Augen und ist im nächsten Moment eingeschlafen. Ich sitze neben ihm, horche auf seine Atemzüge und werfe verstohlene Blicke auf seine Schönheit: lange, dunkle Wimpern ruhen auf hohen Wangenknochen; eine kräftige Nase, die zu vollen, leicht geöffneten Lippen führt. Es heißt, eine Frau sollte kein solches Verlangen spüren, aber wie könnte sie davon unberührt sein? Ich müsste als Schlafwandlerin durchs Leben gehen, um die Anziehung dieser Lippen nicht zu fühlen.
    Ich strecke zögernd eine Hand aus, um seine Lippen zu berühren. Kartik fährt erschrocken aus dem Schlaf hoch, keuchend nach Atem ringend. Ich schreie auf und er packt mich und lässt mich nicht mehr los.
    »Kartik!«, rufe ich, aber er ringt mit mir. »Kartik,

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