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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Und dann fliegt er vor meinen erstaunten Augen über die Stelle, die den geheimen Eingang ins Magische Reich kennzeichnet, und verschwindet.

21. Kapitel
    Bis zum folgenden Abend, unserem letzten in Spence vor der Osterwoche, können wir es kaum erwarten, das Magische Reich wieder zu betreten. Ich versuche nicht mehr, aus eigener Kraft das Tor aus Licht zu beschwören; es ist der Anstrengung nicht wert und schließlich haben wir einen anderen Weg gefunden, der nie fehlschlägt. Sobald wir sicher sind, dass unsere Lehrerinnen schlafen, laufen wir geradewegs zu der geheimen Tür beim Ostflügel und dann weiter ins Niemandsland. Wir kümmern uns nicht mehr um den Garten. Er kommt uns fast wie ein Kinderspielplatz vor, ein Ort, wo wir wie kleine Mädchen Kieselsteine in Schmetterlinge verwandelt haben. Jetzt zieht es uns in das blaue Zwielicht des Niemandslands, mit seinen nach Moschus riechenden Blumen und der magnetischen Anziehungskraft der Winterwelt. Jedes Mal führt uns unser Spiel einen Steinwurf näher an die mächtige Mauer heran, die uns von deren unbekannter Weite trennt.
    Sogar die Burg hat ihren Schrecken verloren. Die blühende Fülle tödlicher Nachtschattengewächse verleiht ihren Mauern Farbe. Wir stürmen durch das von Ranken umschlungene Eingangstor und rufen Pippas Namen und sie läuft uns jubelnd entgegen.
    »Endlich seid ihr hier! Meine Damen! Meine Damen, unser Freudenfest kann beginnen!«
    Nachdem uns die Magie in glückseliger Gemeinschaft vereint hat, ist die Nacht unser. Wir schwärmen aus der Burg in den blau überschatteten Wald hinaus. Lachend spielen wir Verstecken hinter den Tannenbäumen und den Beerensträuchern und laufen vergnügt über das Gewirr von Ranken, das sich kreuz und quer über den gefrorenen Boden zieht. Ann fängt an zu singen. Sie hat eine schöne Stimme, aber hier im Magischen Reich gewinnt sie eine Freiheit, die sie in unserer Welt nicht hat. Ihr Gesang ist wie Wein, der uns übermütig macht.
    Bessie und die anderen Fabrikmädchen jubeln ihr zu – nicht mit höflichem, zurückhaltendem Applaus, sondern mit lauten Begeisterungsstürmen. Sie haben sich in einen zauberischen Glanz von Kleidern, Juwelen und fantastischen Schuhen gehüllt und es spielt keine Rolle, dass der ganze Putz von der Magie geborgt ist; sie glauben daran und der Glaube verändert alles. Wir haben das Recht zu träumen und das ist vermutlich das Wunderbarste an der Magie: die Vorstellung, dass wir die unbegrenzten Möglichkeiten wie reife Früchte von den Bäumen pflücken können. Wir sind von Hoffnung erfüllt. Lebendig durch die Macht der Verwandlung. Wir können etwas anderes werden.
    »Bin ich nicht eine feine Dame?«, fragt Mae und dreht sich selbstgefällig in ihrem neuen blauen Seidenkleid.
    Bessie gibt ihr einen liebevollen Rippenstoß. »Die Königin von Sabal« Sie lacht schallend.
    Mae stößt ein bisschen weniger sanft zurück. »Und wer bist du dann? Prinz Albert?«
    »Haiti«, ruft Mercy. »Genug! Wir wollen lustig sein, ja?«
    Felicity und Pippa führen einen komischen Walzertanz vor, indem sie vorgeben, Mr Todlangweilig und Miss Einfaltspinsel zu sein. Mit einer lächerlich geschwollenen Stimme schwafelt Mr Todlangweilig über die Fuchsjagd – »Der Fuchs sollte froh sein, unseren Gewehren ins Auge zu blicken, denn es sind die besten Gewehre weit und breit, speziell zugeschnitten auf seine niedrige Gestalt. Was für ein Glück, in der Tat!« –, worauf Miss Einfaltspinsel mit den Wimpern klimpert und nur sagt: »Ach, Mr Todlangweilig, wenn Sie es sagen, dann muss es so sein, denn ich habe ganz bestimmt keine Meinung zu dem Thema!« Wir lachen Tränen. Doch bei aller Albernheit bewegen sie sich wunderschön. Mit unbeschreiblicher Anmut stimmen sie ihre Schritte aufeinander ab, sie wiegen und drehen sich ein ums andere Mal im Kreis und Pippas Edelsteine funkeln.
    Pippa hüpft zwischen uns hin und her und schnappt sich eine nach der anderen zum Tanz. Sie trällert ein munteres Lied. »Ich habe einen Liebsten, der ist so treu wie Gold …«
    Felicity muss herzlich lachen. »Oh, Pip!«
    Es ist genau die Ermunterung, die Pippa braucht. Immer noch singend zieht sie Felicity in einen neuen Tanz. »Und wenn mein Schatz eine andre liebt, bin ich ihm nicht mehr hold …«
    Im Augenblick ist Pippa wirklich bezaubernd; sie ist unwiderstehlich. Ich habe sie nicht immer gemocht. Sie kann im gleichen Maß unerträglich und liebenswert sein. Aber sie hat diese Mädchen vor einem schrecklichen

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