Kasey Michaels
nicht in so höflichen Worten.
Bestimmt werdet ihr beide rasch Freunde.“
„Verzeihung,
wie bitte?“
„Ach, lass,
das erklärt sich bald von selbst. Fitz wird hier noch schnell genug ankommen,
in meinem Reisewagen.“
Noch
während sie die Stufen erklommen, öffnete sich das Portal.
„Ah, ich
sehe, die Lakaien meines Onkels sind neugierig wie je. Man hat uns beobachtet,
Charlotte, wie gut, dass ich nicht versucht habe, dich hier auf der Schwelle
ohne einen Gedanken an deinen Ruf zu verführen.“
„Das sähe
dir nicht ähnlich“, entgegnete sie, plötzlich ernüchtert.
„Nein, ich
täte es auch nicht. Sollte ich?“
Sie
sammelte sich. „Weißt du, du bist nur halb so amüsant, wie du denkst.“
„Ja, und
auch das sagt Fitz mir stets.“ Er nahm ihren Arm, und gemeinsam betraten
sie die beeindruckende Halle.
„Seine
Gnaden ist von Elba zurückgekehrt“, informierte Charlotte den ziemlich
verdatterten jungen Lakai, der, anstatt Rafe aus dem Mantel zu helfen, mit
hängender Kinnlade dastand und seinen neuen Herrn angaffte.
„Billy“,
mahne Charlotte sanft.
„Ist der
groß, Madam“, murmelte der verdutzte Billy, ehe Grayson, der würdevolle
silberhaarige Butler, ihn beiseite schob.
„Erlauben
Sie, Euer Gnaden“, sagte er, nahm Rafe mit einer geschickten
Bewegung den Mantel ab und vollführte gleichzeitig eine haarscharf zwischen
mechanisch und schmeichlerisch angesiedelte Verbeugung. „Wenn ich so kühn sein
darf, Sie daheim willkommen zu heißen. Ich habe schon nach den jungen Damen
Lydia und Nicole geschickt. Sie erwarten Sie im Großen Salon.“
„Danke,
Grayson“, sagte Rafe feierlich, während er seinerseits Charlotte half,
den Umhang abzulegen. „Schön, wieder daheim zu sein. Sorgen Sie bitte dafür,
dass sich jemand um mein Gepäck kümmert, und dass für meinen guten Freund
Captain Fitzgerald, der leider eine Verwundung erlitten hat, ein schönes Zimmer
bereit ist und er gut versorgt wird. Er muss sofort hinaufgetragen
werden.“
„Es wird
mir eine Ehre sein, Euer Gnaden.“ Grayson verbeugte sich erneut und
entfernte sich.
„Eine Ehre,
ha! Der Ärmste steht wahrscheinlich kurz vor einem Anfall, weil er sich vor mir
verbeugen muss. Der würde mich viel lieber die Treppe hinunterwerfen“,
flüsterte Rafe, während er mit Charlotte die große, mit Marmor ausgelegte
Halle durchquerte. „Ich habe ihm mal eine Kröte ins Bett geschmuggelt.“
„Ich weiß,
es waren sogar zwei, eine unterm Kissen und eine unter der Bettdecke.“ Als
er ihren Arm nahm, versuchte sie nicht einmal, das leise Beben zu unterdrücken,
das ihr bei seiner Berührung durch die Glieder fuhr. „Und noch etwas – ich
dachte, du wüsstest es noch: Die Decke hier hat eine architektonische
Besonderheit. Selbst Geflüster hört man bis in den letzten Winkel der
Halle.“
„Verdammt!“
Sie beide schauten sich nach Grayson um, dessen Gesicht eine bedrohlich
dunkelrote Färbung angenommen hatte.
„Weitermachen,
Grayson, weitermachen“, rief Rafe munter, dann fasste er Charlottes Arm
fester und dirigierte sie hastig durch die Flügeltüren des Salons. „Kein guter
Start, was?“, flüsterte er ihr zu.
„Ach, ich
weiß nicht. Eigentlich gefiel mir ganz gut, dass du mir zu Füßen gefallen bist.
Ah, da sind sie ja, deine lieben, süßen
Schwersten, ganz begeistert, dich wieder hier zu haben.“
Die beiden
Mädchen sprangen von einem seidenbespannten Sofa auf und standen wie
angewurzelt vor dem Möbelstück. Sie waren nun sechzehn, kaum noch die
linkischen Schulkinder, als die Rafe sie zurückgelassen hatte, als er in den
Krieg zog. Charlotte fragte sich, ob er sie überhaupt erkannte, oder sie ihn.
Obwohl sie
Zwillinge waren, sahen sie sich nicht im
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