Kasey Michaels
dem
kann ich nicht zustimmen“, sagte Rafe abfällig. „Ich war mitten drin,
aber ich könnte es beim besten Willen nicht beschreiben. Fitz, du warst nicht
da draußen! In Spanien haben wir ja einige grässliche Unwetter mitgemacht,
aber nie etwas wie das gestern. Heute, im hellen Sonnenschein, kommt es
mir vor, als wäre alles nur ein Albtraum gewesen. Nur dass zwei unserer
Scheunen zerstört sind und das Heu in alle vier Winde zerstreut wurde. Außerdem
gibt es ein halbes Dutzend verletzte Waldarbeiter, und ein Dutzend Schafe
sind verloren.“ Er fuhr sich mit den gespreizten Fingern durchs Haar. „Zur
Hölle! Da ist mir ein Krieg lieber als ein solches Erbe.“
„Ach, ich
verstehe dich. Was für ein höllisches Elend, dass du nun ein Duke bist und
diesen Riesenbesitz am Hals hast und all das viele Geld. Wirklich, fast könnte
ich dich bedauern.“
Rafe
prostete seinem Freund zu. „Genau! Nun, wenigstens steht hier noch alles, was
man von Rose Cottage nicht sagen kann. Cummings und ich waren heute Nachmittag
drüben; jemand musste sich ja um die Toten kümmern. Das Haus sieht aus, als
hätten Kanonenkugeln eingeschlagen. Kaum zu glauben, dass wir Charlies Mutter
lebend aus den Trümmern des Gewächshauses herausholen konnten.“
„Wie geht
es Mrs Seavers heute?“
„Sie hat
eine Kopfverletzung und ein paar hässliche Schnittwunden, ansonsten geht es ihr
wohl besser. Ein bisschen benommen ist sie noch. Ich weiß nicht, ob sie von
sich aus unter einem der Tische Schutz suchte, als der Schornstein einbrach,
aber wie auch immer, das rettete ihr vermutlich das Leben.“
„Du hast ihr das Leben gerettet, Rafe.
Tapferer Bursche!“
„Ich war
rein zufällig da. Aber wir haben insgesamt fünf Todesfälle zu beklagen, die
beiden Dienstboten der Seavers und drei Dorfbewohner. Noch wissen wir nicht,
wie groß die Verheerungen insgesamt sind.“
Als es
zaghaft an der Tür klopfte, stand Rafe auf. Lydia kam herein, hinter ihr Mrs
Beasley, einem ängstlichen grauen Mäuschen gleich. Das Alter der Dame war
schwer zu bestimmen, doch Rafe glaubte, dass man als Nicoles und Lydias
Gouvernante unzweifelhaft vorzeitig alterte.
„Ah, Lady
Lydia“, grüßte Fitz erfreut, „Ich muss erneut um Verzeihung bitten, dass
ich mich leider nicht erheben kann. Sie bringen mir neue Bücher?“
Lydia
nickte, blieb aber, einige dicke Bände an ihre Brust gedrückt, ein ganzes Stück
von dem Bett entfernt stehen. „Ich dachte, wenn Defoe Ihnen gefallen hat,
möchten Sie vielleicht noch mehr von ihm lesen.“
Bis Fitz
geantwortet hatte, dass er sich darüber freue, ein Buch aber noch mehr genießen
würde, wenn Lydia ihm vorläse, wartete Mrs Beasley unauffällig, dann jedoch
huschte sie an dem Mädchen vorbei, setzte sich in die hinterste Ecke des
Zimmers und richtete sich häuslich ein, indem sie ihr Stickzeug aus dem
mitgebrachten Handarbeitsbeutel fischte. Dem Anschein nach würde sie sich erst
wieder vom Fleck rühren, wenn Lydia ebenfalls ging.
„Du
erlaubst es, Rafael?“, fragte Lydia leise, sich an den Bruder wendend.
Unsicher schaute sie ihn mit ihren großen blauen Augen an.
Warum ist
sie so nervös? fragte Rafe sich. Es war schließlich nicht zu erwarten, dass
Fitz aus dem Bett springen und sie kompromittieren würde. Der Mann war alt
genug, um ihr Vater ...nein, war er nicht!
Andererseits
... so lange er Fitz kannte, hatte er noch nie diesen sanften Tonfall in seiner
Stimme vernommen. Und sein Lächeln, als er sie ansah, und das sie so scheu
erwidert hatte?
Interpretierte
er zu viel in den schlichten Ausdruck von Freundschaft?
Denn Fitz
würde Lydia niemals anders als freundschaftlich wahrnehmen. Obwohl sie
wahrhaftig schön war, fast erschreckend schön. Und er als ihr Bruder trug die
Verantwortung für sie. Für
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