Kasey Michaels
sich zu, dann griff er nach ihrer Hand und zog sie hinter
sich her weiter ins Haus. „Komm, Charlie, suchen wir deine Eltern.“
„Nur meine
Mutter“, erwiderte sie, seltsam beruhigt von seinem kraftvollen Griff.
„Mein Vater ist ins Dorf gefahren. Wolle Gott, dass er da in Sicherheit ist!
Aber Mama war im Gewächshaus, als ich ging. Und der Sturm kam so schnell, Rafe.
Wenn sie noch dort war, als der Schonstein umstürzte ...“
„Bestimmt
nicht“, sagte Rafe beruhigend, während sie den Gang zur Küche
entlangeilten, wobei sie in alle anliegenden Räume spähten und Charlotte immer
wieder nach ihrer Mutter, der Köchin und den Hausmädchen rief. In der Küche
war niemand, das Feuer im Herd erstickt von Ziegeln, Mörtelbrocken und Ruß aus
dem eingestürzten Schornstein.
„Wir müssen
in das Gewächshaus!“
„Nein,
Liebes, nicht jetzt, das ist zu gefährlich. Und da das Dach jeden Moment
fortgerissen werden kann, wird in den oberen Zimmern auch niemand geblieben
sein. Ich wette, sie sind alle im Keller. Spätestens seit der Schornstein
runterkam.“
Doch in den
Kellergewölben fanden sie nur die jüngste Magd, das Mädchen für alles
sozusagen. In eine Ecke gekauert, mit den Armen die Knie umklammernd, wiegte
es sich mit vor Entsetzen starrem Blick hin und her.
Ehe Rafe es
nach den anderen Hausbewohnern fragen konnte, rannte Charlotte schon wieder die
Stiege hinauf, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen. Endlich,
im Morgensalon, erwischte er sie beim Arm, drückte sie in einen Sessel und
rief: „Charlie, du kannst da nicht rausgehen! Verdammt, ich meine, was ich
sage. Bleib hier, oder ich binde dich an den Stuhl!“
Sie nickte
zustimmend, doch nur, weil es der einfachere Weg war. „Geh, finde sie!“
Er drückte
ihr die Hand. „Ja, mach dir keine Sorgen.“
Durch die
hohen Fenstertüren, die wundersamerweise noch heil waren, sah sie die Trümmer
des Gewächshauses. Kaum war Rafe dort hinaus und hatte die Flügel wieder hinter
sich geschlossen, sprang sie auf und ging ihm nach, hielt aber inne, als ihr
einfiel, dass sie ja keine Schuhe trug. Die Glasscherben würden ihr die Füße
zerschneiden.
Also rannte
sie zurück in die Küche, wo an der Wand neben der Seitentür dicksohliges
Schuhwerk für die Gartenarbeit aufgereiht stand. Sie stieg in ein Paar aus
kräftigem Leder und stapfte zurück in den Salon, wo Rafe sie jedoch erwartete.
Sie konnte seiner Miene nichts entnehmen, doch seine Wangenmuskeln traten
hervor, so fest presste er seine Lippen zusammen.
„Sie ist
nicht da draußen?“
„Ich
brauche ...“ Forschend sah er sich um, dann eilte er zu einem der Fenster
und riss mit einem gewaltigen Ruck die schweren Brokatvorhänge herunter.
„Rafe, was
hast du vor? Aber egal, jedenfalls helfe ich dir! Mama ist da draußen, ja? Sie
ist verletzt, nicht wahr? Rafe, ich komme mit dir, du kannst mich nicht
aufhalten!“
Zögernd
blieb er stehen, schaute auf ihre Füße und nickte dann. „Sie lebt“, sagte
er und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Sie lebt, ja ... aber ...“ Er
atmete tief ein, dann sagte er überstürzt: „Du willst das da draußen nicht
sehen! Hör zu, ich hole sie, aber du bleibst hier, versprochen?“
Wieder
nickte sie, ohne es zu meinen, und kaum war er, die Glastür hinter sich
schließend, mit dem Bündel Stoff unter dem Arm hinaus in den wild röhrenden
Sturm und den immer noch peitschenden Regen gehastet, zählte sie langsam bis
zehn und folgte ihm dann. So schwer drückte der Wind gegen das Haus, dass sie
kaum die Tür aufbekam, und als sie sich durch den schmalen Spalt zwängte, riss
der Sturm sie ihr aus der Hand und sie konnte sie nicht mehr schließen, da die
oberste Angel herausbrach. Charlotte ließ Tür Tür sein. Glücklicherweise lag
diese Seite des Hauses im Windschatten, daher wurde die
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